Wer hat uns verraten, …? Das Tarifeinheitsgesetz soll schon im Mai kommen
Der Gesetzesentwurf
Das geplante „Tarifeinheitsgesetz“ sieht vor, dass die in einem Betrieb vertretenen Gewerkschaften gemeinsam in Tarifverhandlungen gehen sollen. Werden sich die Gewerkschaften nicht einig, dann soll nur noch der Tarifvertrag der im Betrieb mitgliederstärksten Gewerkschaft gelten. Die Minderheitsgewerkschaft darf keine eigenen Tarifverträge abschließen, geschweige denn zu Arbeitskampfmaßnahmen (Streiks) aufrufen oder diese durchführen.
Der Gesetzesentwurf hat viele Schwächen, die zukünftig zu zahlreichen Konflikten und juristischen Auseinandersetzungen führen werden. So besteht die Deutsche Bundesbahn zum Beispiel aus über 1000 Betrieben. Bei jedem einzelnen müsste im Zweifel festgestellt werden, welche Gewerkschaft denn nun die mitgliederstärkste ist. Ganz zu schweigen davon, dass es noch keinerlei Regelung gibt, wie die Mitgliederstärke festgestellt werden soll oder ob es sinnvoll ist, wenn die Chefs und Chefinnen nicht nur wissen welche Gewerkschaften im Betrieb sind, sondern auch wie viele Mitglieder diese haben.
Das alles und noch einige Punkte mehr sind aber nur Nebenschauplätze. Viel bedeutender ist der offene Bruch der Verfassung, die dieser Angriff auf das Streikrecht der Arbeiter*innen bedeutet. Bezeichnender Weise scheint es außer in der Regierung niemanden zu geben der oder die an der Verfassungswidrigkeit zweifelt. Wenn schon kein Widerstand, so kommen doch Kritik oder zumindest Zweifel am „Tarifeinheitsgesetz“ auch aus ganz unerwarteten Richtungen.
So kritisieren zum Beispiel die Wirtschaftsweisen die Pläne zur Tarifeinheit und fragen ganz offen nach dem Sinn und der Rechtfertigung für diesen harten Eingriff in die Tarifautonomie. Das Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln gibt zu, dass es „ in Einzelfällen [...] zu einer Einschränkung des Streikrechts kommen“ kann.
Aktuell
Und selbst der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages kommt in seinem Rechtsgutachten dazu, dass das Tarifeinheitsgesetz gegen das Grundgesetz verstößt. Ganz zu schweigen natürlich von einer ganzen Reihe von juristischen Gutachten, die von den Spartengewerkschaften und auch von einigen Parteien in Auftrag gegeben wurden. Das alles kümmert ganz offensichtlich weder Andrea Nahles (SPD), noch ihre Parteigenoss*innen oder das Kabinett auch nur die Spur.
Am 5. März 2015 ging das Gesetz in erster Lesung in den Bundestag. Falls nun nicht genug öffentlicher Druck auf die Parteien (hier besonders SPD und CDU) aufgebaut werden kann, wird das Gesetz kommen. Schon vor Monaten haben mehrere Spartengewerkschaften angekündigt, für diesen Fall bis zum Bundesverfassungsgericht gegen das Gesetz zu klagen. Das wird leider ein langfristiges Projekt werden. In der Zwischenzeit könnte es dazu kommen, dass die kleinen Gewerkschaften eingehen und/oder sich zahlreiche kostspielige juristische Auseinandersetzungen darum liefern müssen, wer denn jetzt in welchem Betrieb die größte Gewerkschaft ist.
Düsseldorf
Auch in Düsseldorf regt sich Widerstand gegen das Tarifeinheitsgesetz. Das ändert Vieles, denn leider wurde dieser Gegenwind bisher überhaupt nicht wahrgenommen. Neben der FAU-Düsseldorf (FAUD), ist u.a. auch die Ver.di-Gewerkschaftslinke bemüht, den Widerstand zu organisieren.
So gab es im Dezember einen hochkarätigen Vortrag von der Industriesoziologin Mag Wompel (http://labournet.de). Der Zuhörer*innen und Diskutierenden hätte es anlässlich er Veranstaltung gerne ein paar mehr – und auch Jüngere geben können. Leider war der Vortrag schlecht besucht und das Durchschnittsalter lag jenseits des Renteneintrittsalters. Am 9. April 2015 lädt die FAUD zu einem Info-Abend in ihr Lokal („V6“) ein.
Ausblick
Am 21./22. Mai soll das Gesetz in zweiter bzw. dritter Lesung im Bundestag beraten und verabschiedet werden. Ob es soweit kommen wird, liegt natürlich auch an uns. Das Bündnis „Hände weg vom Streikrecht“ ruft für den 18. April zu einer bundesweiten Demo in Frankfurt am Main auf. Aber selbst wenn das Gesetz zur Tarifeinheit jetzt nicht kommen würde: Es wäre fatal, anzunehmen, man hätte diesen Angriff vorläufig abgewehrt. Schon längst liegen Pläne bereit, auf andere Art und Weise in das Streikrecht einzugreifen. Denkbar und in einschlägigen Kreisen viel diskutiert sind zum Beispiel eine „obligatorische Schlichtungslösung“, „Absprachepflichten zwischen den Gewerkschaften“ oder Eingriffe in Streiks, die die sogenannte „Daseinsvorsorge“ (also Bahn, ÖPNV, Flugverkehr) betreffen. Außerdem können und dürfen wir auch nicht die globale Dimension dieses Angriffes ignorieren. So rief die Internationale Transportarbeiter-Föderation schon für den 18. Februar 2015 zu einem globalen Aktionstag zur Rettung des Streikrechts auf. Dies war notwendig geworden, weil die in der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) vertretenen Arbeitgeberorganisationen angefangen hatten, ganz offensiv das Streikrecht als solches in Frage zu stellen.
RUDOLF MÜHLAND (FAUD)
Do 9.4.2015 | FAUD-Lokal „V6“ | Volmerswertherstr. 6 | 19:30 Uhr (Einlass 19:00 Uhr)
Das Tarifeinheitsgesetz: Hintergründe – Aktuelles – Aussichten
Freie Arbeiter*innen Union Düsseldorf
Sa 18.4.2015 | 13:00 am Hauptbahnhof (Kaiserstr./Kaisersack)
Bundesweite Demo in Frankfurt a.M.
Hände weg vom Streikrecht
Stoppt die Tarifeinheit
Gemeinsame Anreise mit PKW aus NRW von Düsseldorf aus möglich – bitte Mail an fau-kontakt_ÄT_fau.org
Flyer und Plakate gibt es bei der FAUD, Volmerswertherstr. 6, 40221 Düsseldorf und im Web:
http://streikrecht-verteidigen.org/flyer/
Quelle: terz.org
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