Tschechien: Enorme Aufmerksamkeit für wilde Streiks bei Hyundai und Dymos
„Gestern kam meine Frau nach Hause, schloss sich in einem Zimmer
ein und weinte. Als ich nach ihr schaute und fragte, was passiert sei,
erzählte sie mir Stückchen für Stückchen, was dort vor sich geht und
was sie auszuhalten haben. Sie hatte das sieben Monate lang in sich
hineingefressen; ich kann nicht verstehen, wie so etwas in unserem Land
möglich ist. Wenn ich die Stellungnahmen von Petr Vaňek (dem Sprecher
von HMMC) lese, fühle ich mich als müsse ich gleich kotzen. Schikane,
Demütigungen, Drohungen, das ist es, worauf die Herren Rakovský und
Vaňek hinarbeiten.“ (Kommentar eines Lesers auf der Website der Zeitung
sedmicka.cz
Wilder Streik bei Hyundai am 2. Dezember
Rund 400 Arbeiter erhoben sich gegen die zwangsweisen Überstunden,
willkürliche Zuschläge und Schikanen während der Arbeit. Vorausgegangen
waren seit den Morgenstunden Diskussionen unter den Arbeitern, die
Produktion anzuhalten. Als die Überstunden der Schicht beginnen
sollten, wurde eines der Bänder in der Halle angehalten und wenige
Minuten schlossen sich die anderen an. Die Arbeiter versammelten sich
in der Werkskantine. Das Management forderte sie auf, einen Vertreter
zu bestimmen, der für sie verhandeln sollte, was die Arbeiter
ablehnten. Sie forderten stattdessen, dass das Management zu ihnen
kommen solle und vor allen sprechen solle. Jemand aus dem koreanischen
Management kam zusammen mit dem Schichtleiter um sich die Forderungen
der Arbeiter anzuhören. Nach einstündigen Verhandlungen stimmten die
Belegschaft zu, die Schicht fortzusetzen und an den Folgetagen weiter
zu verhandeln. Es wurde versprochen, dass die Überstunden am Donnerstag
gestrichen würden und die Stunde, die sie gestreikt hatten, bezahlt
würde.
Wilder Streik bei Dymos am 3. Dezember und die Reaktionen des Managements
Am Mittwoch, den 3. Dezember gab es auch einen rund einstündigen wilden
Streik einer Schicht von ca. 100 Arbeitern bei Dymos in Nošovice (siehe
Foto),
einem Subkontraktor von Hyundai mit ebenfalls koreanischem Management.
Zu den Gründen gehörten die Überstunden, Überanstrengung und miese
Arbeitsbedingungen. Das Hyundai-Management verhält sich bislang
defensiv und versucht die Sache in den Massenmedien herunterzuspielen.
Das Management von Dymos hingegen reagierte sehr schnell. Laut einer im
Netz erschienenen Mitteilung, teilte das Management am 4. Dezember der
Frühschicht, die am Tag zuvor gestreikt hatte, mit, dass die Arbeiter
alle Zulagen verlieren würden und dass es ein Einfrieren der Löhne
geben würde.
„Streiknotstand“ seit dem 7. Dezember – Die Gewerkschaften versuchen die Kontrolle über die weitere Entwicklung zu übernehmen
Der Streik bei Hyundai wurde ohne offizielle Einbeziehung der
Gewerkschaft (und des Betriebsrates) organisiert, so dass die
Gewerkschaft keiner illegalen Aktion beschuldigt werden konnte. Im
Diskussionsforum der Arbeiter im Netz gab es einige Beiträge, die zum
schnellen Eintritt in die Gewerkschaft aufriefen, um mehr Stärke zu
erreichen. Die Gewerkschaft hat am Montag, den 7. Dezember, den
„Streiknotstand“ ausgerufen.
Eine mögliche Lösung wurde von einem Gewerkschaftsvertreter im
Mitgliederforum der Gewerkschaft skizziert. Er schreibt, dass die
Beschäftigten, die sich am Streik beteiligen würden, nicht bestraft
würden und drängt, jetzt müssten sich „...alle
Beschäftigten von Aktionen ähnlich denen am Mittwoch distanzieren!!!
Ihr könnt nur hinterher streiken, falls es keine Übereinkunft und
keinen Kompromiss mit dem Management geben sollte!!! Nicht eher!!! Das
wäre illegal und die Verhandlungen würden scheitern!!! Und noch eine
technische Info: es gibt 500 Kronen (ca. EUR 19,- ) in bar anstelle
einer Weihnachspackung Schokolade für alle Gewerkschaftsmitglieder, die
ihre November-Beiträge bezahlt haben!! :-)“
Bisherige positive Ergebnisse
1.) Die Selbstorganisierung der Aktion. Die Mobilisierung der Arbeiter
und ihre eigenständige Aktion könnten anderen ArbeiterInnen, nicht nur
in Tschechien, Mut machen.
2.) Die Informationskanäle. Die Arbeiter hatten lange bevor sie
streikten ein öffentliches Online-Forum eingerichtet. Dieses Forum
wurde zusammen mit Kommentaren auf Websites der Medien ein Platz, wo
sie Informationen austauschen und der Öffentlichkeit ihre Situation und
die aktuellen Ereignisse erklären. Wir glauben, dass die Arbeiter
dadurch einen riesigen Schritt nach vorne gemacht haben und dass es
ihnen gelungen ist, jedem der Zugang zum Netz hat und die Artikel
verfolgt, ihre Situation zu erklären.
3.) Die Unterstützung aus anderen Betrieben. Viele Online-Postings von
ArbeiterInnen anderer Betriebe, unterstützt die Streikenden. Sie
tauschen ihre eigenen Erfahrungen mit schlechten Arbeitsbedingungen,
unbezahlten Überstunden, Überstunden, die aus den elektronischen
Zeitabrechnungen verschwunden sind usw. aus.
4.) Die Unterstützung von außerhalb und Beispiele anderer Aktionen. Es
wurden auch Streiks in anderen Ländern erwähnt (Frankreich, Korea...).
Und es gibt Solidaritätserklärungen von Arbeitern aus dem Ausland, z.B.
aus der Slowakei, Polen, Frankreich im dem Diskussionsforum der
Arbeiter.
5.)Die Berichterstattung in den Medien. Die Massenmedien informierten
mehr oder weniger neutral über das Problem. Jedenfalls gab es keine
Artikel, die sich direkt gegen die Arbeiter gerichtet hätten. Hunderte
von LeserInnen nutzten die Gelegenheit, auf den Websites der Medien zu
diskutieren.
Diese Liste kann man vielleicht noch ergänzen, aber es ist noch zu früh für eine Bewertung des ganzen Konflikts.
Einige Überlegungen zu zukünftigen Entwicklungen
Hyundai. Der „Streiknotstand“ bedeutet, dass die Gewerkschaft
die Kontrolle über die Aktionen übernehmen wird. Niemand weiß, was
dieser Schritt bringen wird. Die Verhandlungen über einen neuen
Tarifvertrag werden im Januar 2010 beginnen und die Gewerkschaften
werden den kämpferischen Geist unter den Arbeiter ausnutzen wollen. Die
Erfahrung tschechischer Skoda-Arbeiter in einem ähnlichen Fall im Jahr
2007, ist allerdings nicht sehr positiv (siehe hier).
Wenn die Gewerkschaft mit ihrem Versuch Erfolg hat, die Arbeiter zu
überzeugen, keine unabhängigen Aktionen durchzuführen, wird die
Kontrolle der Gewerkschaft über ein Abkommen gestärkt.
Die Gewerkschaft bei Hyundai vertritt ca. 350 von 2000 ArbeiterInnen
und nach Angaben ihres Kassierers Štefan Janík gibt es einen großen
Zuwachs von Beitrittsinteressenten. Die Forderungen der Gewerkschaft
beziehen sich hauptsächlich auf Überstunden und den Druck auf die
Arbeiter von Seiten des Managements. Das liegt vermutlich daran, dass
sie davon ausgehen, dass andere Probleme in den ab Januar beginnenden
Tarifverhandlungen behandelt werden. Wir können nur raten, ob die
Formulierung der Forderungen mit der Meinung der Arbeiter
übereinstimmt. Es ist jetzt wichtig, dass die Kontrolle über die
aufgestellten Forderungen und die Entscheidung über die Annahme von
Vereinbarungen, in den Händen der Arbeiter und nicht in denen der
Gewerkschaft bleibt. Das heißt, sie sollte aus den Diskussionen von
Arbeitervollversammlungen in den Fabrikhallen entstehen (ohne die
Anwesenheit von Vertretern des Managements). Der Druck auf das
Management wäre so ein doppelter: Sie sähen sich nicht nur einer Anzahl
Gewerkschafter gegenüber, sondern den kompletten Produktions-Sektionen,
die ihre Macht durchsetzen und Entscheidungen treffen. Es ist möglich,
dass jetzt, wo der „Streiknotstand“ ausgerufen ist, diese Macht
verloren gehen wird. Die nächsten Wochen werden zeigen, wie die
Arbeiter ihre eigene Macht mit derjenigen der Gewerkschaft aufwiegen.
Was die Annahme von Vereinbarungen angeht, sollte das Vorgehen unserer
Meinung nach ähnlich sein: Jede Entscheidung sollte durch
Massenversammlungen diskutiert und angenommen werden. Es sollten
Arbeiterdelegierte gewählt werden, die dem Management die Forderungen
berichten. Unter keinen Umständen sollte ein Ergebnis akzeptiert
werden, das nicht von der Arbeitervollversammlung abgesegnet ist.
Wir denken auch, dass die Arbeiter anfangen sollten ein Streikkomitee
zu gründen. Üblicherweise nehmen an so etwas nur Gewerkschaftsvertreter
teil, aber wir denken, dass es autonom sein sollte – im Geist der
anfänglichen unabhängigen Aktionen. Jeder Arbeiter sollte die
Möglichkeit haben, Mitglied des Streikkomitees zu sein. Das und nicht
die Gewerkschaftsmitgliedschaft sollte zählen.
Dymos. Die Arbeiter bei Dymos stehen einem größeren Problem
gegenüber. Über sie gibt es kaum Informationen. Wir wissen nicht, wie
sie auf die Ankündigung der Streichung der Zulagen und des Einfrierens
der Löhne reagiert haben. Wir wissen nicht einmal, ob es Kontakte
zwischen den Arbeitern bei Hyundai und Dymos gibt. Die Forderungen der
Gewerkschaft erwähnen Dymos nicht. Wenn die Hyundai Arbeiter für sie
einstünden, wäre es sicherlich ein großes Zeichen von Solidarität und
zukünftiger Stärke.
Solidarität!
Was können all diejenigen tun, die nicht bei Hyundai oder Dymos
arbeiten, außer viel Stärke und einen erfolgreichen Ausgang zu
wünschen? Hier sind einige kleine Vorschläge:
– Drückt eure symbolische Unterstützung im Diskussionsforum der Arbeiter oder an anderen Stellen in den Medien aus.
– Bittet Arbeiter in Subunternehmen ihre Solidarität individuell oder
als Gruppe auszudrücken. Einige tschechische Firmen findet ihr hier
- Informiert FreundInnen und Bekannte zu Hause und im Ausland über
diese Kämpfe, besonders die, die in der Automobilindustrie arbeiten.
- Wenn bei euch gerade gestreikt wurde oder sich ein Streik abzeichnet,
könntet ihr die Erfahrungen, die Vor- und Nachteile mit anderen
diskutieren und was ihr anders machen würdet, wenn ihr erneut in so
einer Situation wärt.
Priama akcia
Slowakische Sektion der Internationalen Arbeiter Assoziation
www.priamaakcia.sk
Forum der ArbeiterInnen bei Hyundai und Quellen: |
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