Spanien:Repression gegen streikende Immigranten
Die repressive Antwort auf die Initiative der ImmigrantInnen, die
überdies ein autonomes Existenzmodell über Secondhandwaren aufgebaut
haben, um den Streik überhaupt abhalten zu können, liess nicht lange
auf sich warten:
Am
verregneten 23. Februar hielten mehrere Polizeifahrzeuge vor der
Unterkunftsherberge der Stadt Jaén, wo derzeit die jährliche
Olivenernte stattfindet. Viele der immigrierten Saisonkräfte, die z.T.
von einem spanischen Erntegebiet zum nächsten ziehen, um durch die
schlechtbezahlte Arbeit ihr Überleben und das ihrer Angehörigen in den
Herkunftsländern zu sichern, haben in dieser Herberge wenigstens einen
Schlafplatz, fliessendes Wasser und eine Kochgelegenheit zur Verfügung.
Ein Grossteil von ihnen nämlich ist aufgrund rassistischen Ausschlusses
gezwungen, auf der Strasse zu schlafen.
Die Herberge in der
Stadt Jaén ist ein sozialer Dienst, der seit Jahren Allen zur Verfügung
steht und deshalb auch für die "sin papeles", diejenigen unter den
EinwandererInnen, die über keine Papiere verfügen, ein relativ sicherer
Ort gewesen war. Das hat sich mit dem Eindringen der Polizei um die
Mittagszeit des 23.02 nun offensichtlich geändert. Den Papierlosen
wurde gesagt, sie sollten gehen oder sie würden verhaftet. Manchen
wurde noch nicht einmal erlaubt, ihr Gepäck mitzunehmen. Sie mussten es
draussen stehen lassen, ohne Rücksicht darauf, dass es gestohlen werden
könnte. Überdies wurden auch Personen belangt, die in gar keinem Bezug
zu den Immigranten standen.
"Was die Stadverwaltung getan
hat", so die so die Betroffenen von der SOI,"ist schwerwiegend. Die
Bürgermeisterin Carmen Peñalver sowie auch die Stadträtin Carmen
Guerrero sind nun wegen Bedrohung und Nötigung einer
Bevölkerungsgruppe, wegen der Verbreitung von Angst und der
Zuwiderhandlung gegen die physische und psychische Intergrität ohne
Hilfeleistung für die Betroffenen mit einer gerichtlichen Anklage
konfrontiert. Konkret wird der Vorwurf gegen sie erhoben, zu
verantworten zu haben, dass Personen schutzlos im Freien schlafen
müssen und dass sie die Regeln eines Sozialdienstzentrums für die
unabdingbaren Grundbedürfnisse verletzten. Weiter wird ihnen die
Verantwortung für die Nichteinhaltung der Regeln angelastet, als
Betrunkene innerhalb der Herberge Streitigkeiten provozierten".
"Wenn
sie die Unterkunft schliessen wollen", so die Anklage der Immigranten,
"können sie dies mittels einer einige Tage zuvor erfolgenden per
Ankündigung tun. Aber es gibt keine Rechtfertigung dafür, uns auf diese
Art und Weise, in der sie verfahren sind, hinauszuwerfen, ohne zu
wissen um wen es sich überhaupt handelt; wieviele Kinder und welche
Bildung wir haben; ob wir Personen mit Berufen oder Künstler sind;
Flüchtlinge auf der Suche nach politischem Asyl oder auf der Flucht vor
Krieg. Oder ob wir, wie unser 20 jähriger Compañero Jose, Sahauris sind
und ohne Rücksicht darauf, dass eine Deportation nach Marokko für uns
gleichbedeutend ist mit Misshandlungen, Folter, Gefängnis sogar bis zu
10 Jahren oder der Gefahr zu verschwinden... Aber es nicht nur das: Sie
haben uns hinausgeworfen, als diejenigen, die "eine Last bedeuten",
denen sie keine Papiere geben und das ist noch viel schlimmer. Es
bedeutet die Selektion seitens einer Gruppe der Gesellschaft, die von
oben her bestimmt, dass wir die am meisten Prekarisierten sind und die
uns die grössten Schwierigkeiten bereitet, uns zu integrieren, indem
sie ihre repressiven Kräfte, die Polizei, gegen uns einsetzt".
"Wir
wissen, dass dies geschieht, weil wir unser legitimes Recht zu
streiken, das uns vom Verfassungsgericht anerkannt wurde, ausüben
wollen und letztendlich weil wir den Kopf heben und der sozialistischen
ArbeiterInnenpartei (?) PSOE entgegen dem Wahltenor sagen, dass wir
nicht einverstanden sind. Weil wir zum Ausdruck bringen, dass wir eine
Stimme und etwas zu sagen haben und weil wir nicht die Wahrheit, über
das, was sich während der Olivenernte abspielt, verschweigen oder
beschönigen werden. Weil wir vernehmlich machen, dass wir Personen mit
menschlicher Würde sind.
Durch die repressive
Vorgehensweise des Rathauses von Jaén, das auch von der spanischen
sozialistischen ArbeiterInnenpartei (?) regiert wird und durch die seit
mehr als 10 Tagen von dem Regierungssubdelegierten Fernando Calahorro
betriebene Verfolgungspolitik wird klar offensichtlich, wer die
Gesetzesbrecher und dass nicht wir diese sind. Die DelinquentInnen sind
die PolitikerInnen und ihre Komplizinnen, welche
Menschenrechtsverletzungen betreiben und da niemand über ihnen steht,
und sie aufhält, agieren sie in ihrer gesamten Bandbreite. Diese
Vorgehenseise richtet sich insbesondere gegen die Schutzlosesten und
das sind für gewöhnlich diejenigen, die "da sie nichts mehr zu
verlieren haben", wir, die wir uns nicht für Geld oder Macht verkaufen
und die immer die Wahrheit aussprechen. Diese Wahrheit ist sehr
unbequem; man will nicht, dass sie bekannt wird und deshalb versucht
man, uns zum Schweigen zu bringen. Hierbei spielen vielfältige
Interessen eine Rolle...; bei den Vorfällen in der Herberge besteht das
Interesse darin, sie nicht bekannt werden zu lassen. Deshalb wurden die
im Streik Engagierten Ende der vergangenen Woche verraten indem keine
Medien anwesend waren, durch Drohungen und das Verbreiten von Angst".
KOMMUNIQUE DER STREIKENDEN ARBEITSMIGRANTEN VOM 23.02.2008
DIE HEFTIGE REPRESSION DER REGIERUNG WIRD FORTGESETZT
Gewerkschaft der ArbeitsmigrantInnen (Sindicato Obrero Inmigrante) SOI
Wir
geben öffentlich bekannt, dass die Gruppe immigrierter ArbeiterInnen
ohne Papiere ("sin papeles") im unbefristeten Streik, diesen nicht
angesichts der schweren Repression, die wir erlitten haben, aufgeben
wird. Was sie erreicht haben ist, dass wir unseren Protest gegenüber
der Regierungsubdelegation in Jaén vorübergehend einstellen mussten. Es
hat dort jedoch eine grosse Unterstützung und Zustimmung seitens der
Ansässigen an unserem Informationstisch gegeben und wir haben mehr als
2000 Unterschriften erhalten.
Zehn unserer Genossen sind
verhaftet worden, gegen die nun ohne jede Beurteilung, das Ley de
Extranjeria (AusländerInnengesetz) angewandt wird, das in der härtesten
und selektivsten aller möglichen Weisen gegen das
ArbeiterInnenkollektiv der "sin papeles" in der Provinzhauptstadt Jaén
zum Einsatz gebracht wird, obwohl dadurch eindeutig ein grundlegendstes
und fundamentalstes Recht verletzt wird. An diesem Delikt der
Rechtsbeugung partizipieren sowohl die Regierungssubdelegation, als
Hauptverantwortlicher, als auch die Polizei und ein Richter, dem alle
diese und alle Einzelheiten bekannt sind und obgleich unsere
rechtmässigen Anklagen auf seinem Tisch liegen.
Wir haben
alles was vorgefallen ist dem Verfassungsgericht mitgeteilt, von dem
die Empfehlung an uns erging, diejenigen, die Unterlassungen begehen
anzuklagen, wenn unsere grundlegenden Rechte, wie jenes darauf zu
streiken, dadurch verletzt werden.
Wir sind von der
Notwendigkeit dieser pazifistischen Aktion überzeugt und diese
Überzeugung wächst, wenn wir mit eigenen Augen sehen wie die
PSOE-Regierung sich bemüht, uns in den Strassen zu stoppen wenn wir
versuchen, den Kopf zu erheben und ihnen Auge in Auge zu sagen, dass
wir der übrigen Bevölkerung gleichgestellt sind und das wir das Recht
besitzen, diese Gleichheit zu verlangen.
Obwohl Wahlen sind
und man versucht, uns zu vertuschen werden wir den Streik in anderen
kreativen Formen fortsetzen. Wer uns unterstützen will, findet offene
Türen. Tatsächlich benötigen wir viel ökonomische und moralische
Unterstützung und ganz sicher, dass man sich für unsere Präsenz in Jaén
einsetzt.
Einer/ne für Alle, Alle für Einen/Eine
Sindicato Obrero Inmigrante (SOI)
E-Mail: sindicato.soi@gmail.com
Telfon: (0039) 625 918 052
(0039) 695 959 121
Übersetzung: tierr@ tierra@gmx.net
www.tierra.bloggospace.de
(work in progress)
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