Solidarität mit der Maquiladora-Gewerkschaft SITEMEX (Mexiko)
FAU-Lokalförderation Münsterland
Der Betrieb Kukdong
International Mexico S.A. de C.V in Atlixco/Puebla, mittlerweile Mex
Mode, der für Nike und Reebok produziert, war die einzige Maquila in
Mexiko, in der eine unabhängige Gewerkschaft seit 2001 aktiv dauerhaft
anerkannt blieb.
Einem unabhängigen Bericht des US-amerikanischen
WRC (Workers Rights Consortium) zufolge leben die ArbeiterInnen von
Kukdong / Mex Mode in extremer Armut. Die Organisation zitiert anonym
einen Manager, der zugibt, dass es selbst einer Einzelperson schwer
fallen dürfte, von dem Lohn zu leben. Insbesondere alleinerziehenden
Frauen – der Mehrheit der in der Maquila Beschäftigten – sei kein
Auskommen gewährleistet.
Der Konflikt bei Kukdong eskalierte, als
die Maquila 2000 einen Betriebsvertrag mit der FROC (Federación de
Sindicatos del Transporte, Industria y Comercio) abschloss. Die
ArbeiterInnen wurden dadurch vollständig zu Mitgliedern der regierungs-
und arbeitgebernahen korporatistischen CROC (Confederacion
Revolucionaria de Obreros y Campesinos). Der Vertrag sah auch deutliche
Verbesserungen vor, wurde jedoch von Arbeitgeberseite nicht erfüllt und
die offiziellen Gewerkschaftsvertreter drängten nicht auf Erfüllung des
Vertrags: Als daraufhin am 15. Dezember die ArbeiterInnen das
hygienisch unerträgliche Essen in der Kantine verweigerten, wurden die
vermeintlichen ‚Rädelsführer' dieser Aktion, Marcos Santiago Pérez
Meza, Mario Nicanor Zetina, Marcela Muñoz, Eduardo Sanchez Vasquez und
Josfina Hernández, am dritten Januar 2001 entlassen. Diese Entlassungen
hatten die entschlossene Organisation der ArbeiterInnen zur Folge: Am
neunten Januar traten bis zu 600 Kukdong-ArbeiterInnen in den Streik -
mit der Forderung, die CROC durch eine unabhängige gewerkschaftliche
Kraft zu ersetzen. Laut WRC wurde dieser Streik von der Mehrheit der
ArbeiterInnen unterstützt. Am elften Januar wurde die Polizei gegen die
Werksbesetzung eingesetzt. Polizei und CROC-Delegierte wandten
körperliche Gewalt an, die zu zwei ernsthaften Verletzungen führte.
Am
13. Januar 2001 unterschrieb der Verantwortliche von Kukdong in
Anwesenheit der Junta local de Conciliación y Arbitraje (Rat für
Schlichtung und Versöhnung, JLCA) von Puebla eine Vereinbarung, nach
der alle Streikenden wieder eingestellt werden sollten. Einem Großteil
der ArbeiterInnen wurde dies dennoch verweigert, diejenigen, die wieder
eingestellt wurden, sollten eine Loyalitätserklärung mit der CROC
abgeben. Am 22. Januar 2001 arbeiteten statt 850 - 900 nur noch 250
ArbeiterInnen bei Kukdong. Der Manager versuchte zu diesem Termin, eine
entsprechende Anzahl neuer ArbeiterInnen einzustellen.
Im März
2001 gründete sich in Folge dieser Ereignisse mit der SITEKIM die erste
unabhängige Gewerkschaft in einer Maquila. Noch im selben Jahr – 2001 –
benannte sich Kukdong um in Mex Mode, die Gewerkschaft heißt seitdem
SITEMEX (Sindicato Independiente de Trabajadores de la Empresa MexMode
de México), ist von der JLCA anerkannt und hat mit der Maquiladora
einen fabrikinternen Arbeitsvertrag ausgehandelt. Die
Arbeitsbedingungen sind durch den Druck der unabhängig organisierten
ArbeiterInnen spürbar besser geworden.
Aktuell ist das in Mexiko
einmalige Phänomen einer langjährig anerkannten unabhängigen
Gewerkschaft in einer Maquila akut bedroht: Die PRI-nahe und als
paramilitärisch aktiv bekannte Bauernorganisation „Antorcha Campesina"
(AC) hat unter dem Vorwand der angeblichen Korruption der aktuellen
Gewerkschaftsvorsitzenden Josefina Hernández einen gewerkschaftlichen
Putsch durchgeführt. Anlass war ein durch einen technischen Defekt
entstandener ausgefallener Arbeitstag, das Komitee der SITEMEX (vgl.
einem Betriebsrat) hatte einen halben Tageslohn für diesen Arbeitstag
ausgehandelt. Gewerkschaftsmitglieder, die mit diesem
Verhandlungsergebnis nicht einverstanden waren, haben die lokale
Leiterin der AC um Hilfe gebeten. Obwohl nicht bei Mex Mode tätig,
haben zahlreiche Mitglieder dieser Organisation eine Versammlung und
die Neuwahl eines Komitees einberufen und belagerten im Juni und Juli
das Unternehmen. Wie die CROC 2001 hat die AC in diesem Fall
körperliche Gewalt angewendet: Eine männlich dominierte, der Regierung
verpflichtete Organisation ist - auch schlagend - gegen eine von Frauen
gegründete und geführte unabhängige Gewerkschaft vorgegangen. Josefina
Hernández hat im August 2008 Mex Mode verlassen, als neuer
Gewerkschaftsführer der SITEMEX wurde Enrique Puente bestätigt. Die AC
fordert weiterhin ihre Anerkennung als unabhängige Gewerkschaft bei
Kukdong.
CROC wie AC sind Landarbeiter-Organisationen, die vom
priistischen Korporativismus profitiert haben – beide tragen die
Fackel, die der AC ihren Namen gibt, im Logo. Im Bundesstaat Puebla ist
die langjährige Staatspartei immer noch an der Macht, die alten
Seilschaften funktionieren nach wie vor. Ob sich die CROC über den
Umweg der AC erneut in die Maquila Mex Mode hinein manövrieren will
oder die AC für einen Rachefeldzug gegen den verlorenen Kampf 2001
nutzt, ist reine Spekulation, wir können aber davon ausgehen, dass die
beiden Organisationen miteinander vernetzt sind und sich im Sinne des
‚alten' Korporativismus unterstützen.
Das plötzliche Engagement
der AC als Fürsprecher der ArbeiterInnen ist höchst besorgniserregend,
korrespondiert es doch mit ähnlichen Projekten dieser Organisation in
den Aufstandsgebieten von Chiapas, wo sie sich – von der EZLN und der
anderen Kampagne skeptisch beobachtet - für politische Gefangene
einsetzt, wie auch in Oaxaca, wo sie sich als ‚Moviemento Antorcha' neu
formiert. Das flächendeckende neue Engagement der AC lässt darauf
schließen, dass sich hier eine durchaus gewaltbereite, konservative
Gruppe erneut in soziale Prozesse einmischt, um eine dominierende
Funktion in ganz Mexiko zu erobern.
Für die Frage nach der
mexikanischen Zukunft einer unabhängigen ArbeiterInnen- oder
Gewerkschaftsbewegung in Mexiko ist dieses Vorgehen ebenfalls
alarmierend: Es wäre weiter zu beobachten, ob es sich hier um eine
neue, sich evtl. durchsetzende Strategie handelt, um der unabhängigen
Gewerkschaften Herr zu werden: Wenn sich diese nicht durch
traditionelle, korporatistische Gewerkschaften verhindern lassen, wird
versucht, entsprechende ‚sindicatos blancos' (‚weiße', d.h. gelbe
Gewerkschaften) zu gründen.
Verschiedene Organisationen rufen
auf, gegen diese Vorgänge zu protestieren. Es gibt aktuell zwei
Möglichkeiten, Protestmails zu versenden:
http://www.unionvoice.org/studentsagainstsweat/alert-description.tcl?alert_id=18529165
http://salsa.democracyinaction.org/o/1618/t/3757/campaign.jsp?campaign_KEY=24705
Infos zu Kukdong / Mex Mode und der Gewerkschafts SITEMEX:
CAT
2001: July 2001: La Lucha Sigue. Stories from the People of the Kukdong
Factory. Puebla. Pdf-Download von:
http://www.catpuebla.org/wp-content/La_Lucha_Sigue.pdf, 31.03.2008.
CAT 2008: Reseña MEXMODE 20 de Junio de 2008, Download von http://catpuebla.org/wp-content/resenamexmode.pdf, 02.09.2008.
United
Students Against Sweatshops: La Lucha Sigue, Parte II. Download von
http://www.studentsagainstsweatshops.org/docs/LaLuchaSigue_Part_II.pdf,
02.09.2008.
Vine. Andy: No Sweat. Puebla. Pdf-Download von: http://www.catpuebla.org/wp-content/No_Sweat_comic.pdf, 10.07.2008.
WRC
2001a: WRC Investigation. Re Complaint against Kukdong (Mexico).
Preliminary Findings and Recommandations. Washington D.C., 24.01.2001.
Pdf-Download von: http://www.workersrights.org/Report_Kukdong_1.pdf,
29.06.2008.
WRC 2001b: WRC Investigation. Re: Complaint against
Kukdong (Mexico). Report and Recommandations. Washington D.C.,
20.06.2001. Pdf-Download von:
http://www.workersrights.org/Report_Kukdong_2.pdf, 29.06.2008.
WRC
2008: Worker Rights Consortium Assesment. Re MexMode, S.A. de C.V.
(Mexico). Findings and Recommendations. July 3rd, 2008. Download von:
http://www.workersrights.org/freports/WRC%20Assessment%20re%20Mexmode.pdf,
02.09.2008.
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