Update: Nokia Bochum schließt die Pforten
Nach einer Studie vom November 2007 des Marktforscher Gartner, besitz Nokia einen weltweiten Marktanteil von 38,1% im Mobiltelefonbereich und liegt damit vor Samsung (14,5%) und Motorola (13,1%) weltweit an der Spitze. Laut dieser Studie betrug der Gewinn von Nokia im Jahr 2006 runde € 3,6 Mrd.
In Deutschland ist Nokia im Januar 2008 noch an vier Standorten vertreten.
• Bad Homburg: Mobiltelefone und Unternehmenslösungen
• Bochum: Produktion (Endmontage) und Entwicklung von Mobiltelefonen
• Düsseldorf: Forschung und Entwicklung von Netzinfrastruktur, Vertrieb, Kundenservice und Verwaltung.
• Ulm: Forschung und Entwicklung
Nach Opel ist Nokia heute der größte industrielle Arbeitgeber in Bochum.
Nach diversen Medienberichten wurde Nokia mit € 88 Mio. „Fördergelder“ an den Standort geholt, beziehungsweise an diesen gebunden. Im November 2006 liefen die entsprechenden Verträge (Arbeitsplatzgarantie, Standortgebundenheit usw.) welche NRW und Nokia hatten aus. Schon 2001 hat Nokia Deutschland von den ca.: 4500 Arbeitsplätzen (3000 alleine in Bochum) fast 10% abgebaut. Gleichzeitig wurden begonnen so genannte LeiharbeiterInnen ein zu stellen. Weltweit hat Nokia 55.505 Mitarbeiter, zusammen mit dem Telekomausrüster Networks sogar rund 112.000 Beschäftigte. Offensichtlich plant die Nokiazentrale seit Ende 2006 die Produktion in Bochum zu schließen. Im März 2007 kündigte Nokia an sein Werk in Rumänien weiter aus zu bauen. Die vorgebrachten Gründe für die Verlagerung der Produktion nach Finnland, Ungarn und Rumänien, nämlich die zu hohen Produktions-/Arbeitskosten in Bochum, sind offensichtlich nicht stichaltig. Die Fertigung der Mobiltelefone ist hochautomatisiert. „Das Kostenargument ist damit vorgeschoben“, so Torsten Gerpott von der Universität Duisburg-Essen zur Westdeutschen Allgemeinen. Entscheidend ist vielmehr der Wille Nokias zu einer Konzentration der Standorte zu kommen und ganz nebenbei Vorteile wie
- steuerliche Anreize, etwa durch niedrigere Gewerbesteuern oder die Schaffung von Sonderwirtschaftszonen
- niedrigere Abgaben
- größere Nähe zu den Wachstumsmärkten in Osteuropa.
zu nutzen. Bochum ist für den Global-Player nur ein kleiner Standort „und den kleinsten beißen dann halt die Hunde“. Damit aber noch nicht genug. Schon im
vergangenen Jahr hatte Nokia Siemens
Networks (NSN) in Deutschland die Streichung von 2800 bis
2900 Stellen angekündigt.
NRW prüft Rückforderung
Das Land Nordrhein-Westfalen hat Nokia in den Jahren 1995-1999 rund € 60 Mio. „Fördermittel“ gezahlt. In der Zeit von 1998-2007 kamen dann noch einmal weitere € 28 Mio. an Forschungsgeldern durch den Bund in die Kassen von Nokia. Obwohl selbst die Ministerin für Wirtschaft Christa Thoben (CDU) eine Rückforderung des Geldes nicht für sehr aussichtsreich hält, lässt sie dies gerade von ihrem Beamtenaperrat prüfen. Veli Sundbäck, Chef von Nokia Deutschland teilt diese Einschätzung. Das Geld sei bestimmungsgemäß eingesetzt worden und die vertraglich geregelten Fristen eingehalten bzw. verstrichen.
Laut Sundbäck bekommt Nokia „keine direkten Subventionen“ für seinen Umzug nach Finnland, Ungarn und Rumänien. Allerdings, so gibt er auf Nachfrage zu, könnte Nokia in Ungarn die selben Subventionen nutzen wie andere Unternehmen auch. Ungarn fördert u.a. mit Mitteln aus der EU die Ansiedlung von Hightech-Firmen mit der Übernahme von bis zu 50% der Kosten. In Rumänien hat sich Nokia im Industriepark in Jucu bei Cluj nieder gelassen. „Förderungen“ für Nokia lassen sich an den Infrastrukturarbeiten erkennen, zu denen sich Rumänien verpflichtet hat. Unter anderem sollte die rumänische Eisenbahngesellschaft dort ein extra Nebengleis für die Güterwaggons errichten. Die Elektrizitätswerke sollten in «Nokia Village», so der Name des neuen Industrieparks, für 17 Millionen Euro ihre Infrastruktur erneuern. Nach einem Bericht der «Westdeutschen Allgemeinen Zeitung» soll der rumänische Staat 33 Millionen Euro für das «Nokia Village» aufgebracht haben. Die ArbeiterInnen sollen in Jucu laut Medienberichten
zwischen € 170 und € 238 verdienen. Das ist nicht nur im Vergleich zu Deutschland sehr wenig. Der der
Netto-Durchschnittslohn in Rumänien beträgt € 320! Spiegel-Online bemerkt in dazu: "Vielleicht wird Nokia aber auch gar nicht lange in Rumänien bleiben.
"Die Lohnvorteile haben nicht lange Bestand", sagt Maier von der
Landesbank Baden-Württemberg. Schließlich steigen die Gehälter in
Osteuropa rasant."
In den Massenmedien tauchen in den Kommentaren und Berichten zur
geplanten Schließung vermehrt moralische Argumentationen auf („die
haben doch eine soziale Verantwortung“) und das Bild der
„Subventionsheuschrecke.“
Beides ist absolut unangebracht. Zum einen sollten sich die
ArbeiterInnen von dem Trugbild so genannter „sozialer Verantwortung“
ihrer Bosse verabschieden. Dies kennen nur eine Verantwortung: „das
Wohl der Firma“. Laut Spiegel-Online hat Nokia das Ziel für die
Gewinnmarge von 17 auf 20 Prozent angehoben Damit würde Nokia knapp
über der weltweit stillschweigend anerkannten durchschnittliche
Profitrate von 17-19 % EBITDA, die derzeit Standardist, liegen. Firmen
mit geringerer Profitrate laufen Gefahr das die Anleger mit ihrem Geld
woanders hingehen. Diese Erhöhung des Gewinnzieles ist selbst für den
Marktführer Nokia sicherlich nicht ganz einfach zu erreichen. Darum ist
das Management ganz offensichtlich dabei einerseits jede noch so kleine
Einsparmöglichkeit zu nutzen und sich andererseits so nah wie Möglich
an den boomenden Märkten in Osteuropa und China zu positionieren.
Das Bild von der Heuschrecke oder auch das von der
Subventionsheuschrecke erklärt gar nichts. Im Gegenteil – es lenkt ab
von den wesentlichen Dingen. Beides ist nur Rhetorik und verleitet die
weniger gefestigten unter uns dazu sich oberflächlich und moralisch auf
zu regen, anstatt die Ursachen für die Erscheinungen zu suchen.
Insbesondere ist den betroffenen ArbeiterInnen mit einer solchen
Rhetorik nicht geholfen. Wie dem auch sei – die ArbeiterInnen sehen,
entgegen den Verlautbarungen in der Presse, keiner „ungewissen Zukunft“
ins Gesicht.
WENN sich nicht die KollegInnen noch dazu aufraffen in den nächsten
Tagen noch zu Formen des Widerstandes zu finden die über das reine
verhandeln hinaus gehen, dann ist ihre Zukunft deutlicher gezeichnet
als es ihnen Lieb sein dürfte. Der Nokia-Standort Bochum wird schießen.
Ein Sozialplan wird ausgehandelt werden und nach einem Jahr
Arbeitslosigkeit, werden die Leute in Hartz IV, also die Armut
entlassen. Welche Form der Widerstand ggf noch annehmen wird, kann ich
jetzt nicht ermessen. Sicher ist es nicht Falsch möglichst bald
mindestens zu einem effektiven Streik zu kommen. Ebenso begrüßenswert
wäre sicherlich auch eine "dauernde Betriebsversammlung"
(Betriebsbesetzungen sind ja illegal *zwinker*) und der dann
hoffentlich erfolgreiche Versuch den Abtransport von Material (gleich
ob Produkte oder Maschinen) zu verhindern.
Die Rolle von Gewerkschaft und Betriebsrat
In Bochum werden seit Monaten Sonderschichten gefahren und einige
Modelle, die dort produziert werden, haben lange Lieferzeiten. Das
spricht dafür das ein sofortiger und konsequent geführter Streik,
zusammen mit der Verhinderung der Ausliferung, noch eine nicht zu
unterschätzende Wirkung entfalten könnte. In diesem Zusammenhang muss
die Frage gestattet sein, warum Betriebsrat und die Gewerkschaft IGM
mit scheinbar allen Mitteln Proteste die sich auf die Produktion
auswirken könnten zu verhindern suchen. Das sie selbst nicht ernsthaft
an das Mittel des Streiks zur Rettung der Arbeitsplätze denken sollte
ebenfalls jeden stutzig machen. Dennn was haben die ArbeiterInnen im
Falle eines Streikes zu verlieren?
Post Scriptum
Wir alle sind aufgefordert die KollegInnen bei Nokia-Bochum zu
besuchen. Ein Gruppe von Opel-Arbeitern hat es uns schon vorgemacht.
Nur durch den direkten und persönlichen Kontakt zu den KollegInnen
können wir ihnen unsere Solidarität zeigen. Und wer weiß - vielleicht
ergibt sich ja, in den nächsten Tagen doch noch die Möglichkeit eines
gemeinsamen Widerstandes! Auch die ArbeiterInnen in Nordhausen (Bike
Systems / Strike Bike) haben den einen oder anderen Tag gebraucht um zu
Formen des Widerstandes zu finden die jenseits der alten Wege lagen.
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Zur Großkundgebung “Zukunft für die Arbeitsplätze bei Nokia” am 22. Januar erwartet die IG Metall mehrere Tausend Menschen. Die Demonstration beginnt um “fünf vor zwölf” am Werkstor von Nokia. Eine zweite Demonstration beginn um 12:30 Uhr am Gewerbepark Riemke (Parkplatz Variété Et cetera). Um 13 Uhr wird die Kundgebung auf dem Marktplatz in Bochum-Riemke beginnen. Vom Hauptbahnhof (ZOB) und vom Rathaus setzt die BoGeStra ab ca. 11.15 Uhr Sonderbusse ein, die kostenlos die DemonstrationsteilnehmerInnen zum Gewerbepark Riemke befördern.
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