Kettenhunde des Jobcenters - FAU-Mitglied beim Berliner ABM-Träger ZIM gekündigt.
Das macht sich aber schlecht in einem Kündigungsschreiben, dachte
sich wohl auch die ZIM: Gegenüber der Presse und der FAU berief sie
sich lediglich auf ihr Recht, in der Probezeit ohne Angabe von Gründen
kündigen zu können. Gegenüber dem Jobcenter fügte sie hingegen Jähzorn
und (bei anderen Kollegen nicht geahndetes) geringfügiges Zuspätkommen
als Gründe an. Als Konsequenz muss Oliver W. wegen einer angeblich
selbst verschuldeten Kündigung nun eine 30-prozentige Kürzung seiner
ALG-II-Bezüge hinnehmen.
Die FAU Berlin ließ sich nicht lang bitten und leitete umgehend
Protestaktionen für die sofortige Rücknahme der Kündigung ein.
Interessanterweise wurden schon nach kurzer Zeit Abmahnungen und eine
Kündigung (ebenfalls in der Probezeit) gegen Kollegen und Kolleginnen
einer weiteren ZIM-Einrichtung zurückgezogen. Die FAU Berlin sieht
hierin die Tatsache gegeben, dass die ZIM gezielt versucht, die
Belegschaft zu spalten, indem sie sich einerseits einen weiteren
Brandherd vom Halse schafft und andererseits gegen gewerkschaftlich
Organisierte die harte Hand zeigt.
Seit der Kündigung herrscht bei der ZIM nun ein für die Jahreszeit
ungewohnt heißes Klima. Unterstützt von der Internationalen (IAA) und
befreundeten Organisationen, lässt die FAU mit vielfältigen Maßnahmen
die ZIM spüren, was einem bei Kündigung eines ihrer Mitglieder blüht
und dass der Druck nicht nachlassen wird. Ganz im Gegenteil: Die FAU
Berlin hat ihre Mittel noch längst nicht ausgeschöpft und ist bereit,
noch mehr in die Waagschale zu werfen, auch wenn - oder gerade weil -
es sich um eine ABM handelt.
Der BQG-Jobcenter-Komplex
Dem Unterholz von ABM und MAE (Ein-Euro-Jobs) wird leider nur allzu oft
von DGB-Gewerkschaften mit einer achselzuckenden Betriebsblindheit
begegnet. Gern wird über das Gesamtproblem als solches schwadroniert,
die Hände aber möchte sich niemand schmutzig machen. Zudem sind
ABM-Stellen mittlerweile fast zu Exoten geworden. Gab es im Jahre 2000
bundesweit (v.a. im Osten) noch ca. 200.000 ABM-Stellen, sind diese
allein in den Jahren 2005 und 2006 auf lediglich 50.000 zurückgegangen.
Im Vergleich dazu sind die MAE-Stellen im selben Zeitraum von 200.000
auf über 300.000 gestiegen.
Doch auch wenn die ABM-Stellen bald offiziell von der Regierung
abgeschafft werden sollen, ist nicht davon auszugehen, dass deren
Träger nun die Taler zählen und das Säckel schnüren werden. Das
Geschäft mit den Zuzahlungen des Jobcenters wird durch die Einführung
neuer Qualifizierungsmaßnahmen interessant bleiben. Dass die
Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaften (BQG) in den 1990ern
bereits als Branche mit Zukunft gewertet wurden, besagt einiges, und es
ist davon auszugehen, dass sie im wahrsten Sinne des Wortes krisenfest
bleibt.
Angeblich "gemeinnützige" Unternehmer profitieren massiv von den
Diktaten, die Erwerblosen vor Allem durch die Hartz-Gesetze auferlegt
wurden. Das Jobcenter zwingt sie in solche Betriebe und bezahlt diese
auch noch dafür, dass man sie unter die Rute nimmt. Die ZIM hat z.B.
nach eigenen Angaben einen Jahresdurchschnitt von 110 ABM-Kräften zu
bieten und bezeichnet dies selbst als "Geschäftsfeld" und "Markt", auf
dem sie "leistungsstark" agiere. Wie sinnvoll die dort verrichtete
Arbeit ist, zeigen die Erfahrungen von Oli W.: Als ABM-Kraft stellte er
relativ sinnlose "Produkte" her und musste mit Werkzeugen hantieren,
die allenfalls für das Hobbyhandwerk, nicht aber für eine berufliche
Qualifizierung geeignet sind.
Die BQG geben vor, benachteiligte Personengruppen beruflich und sozial
"wiedereinzugliedern". Auch die Bundesarbeitsgemeinschaft Arbeit, der
Dachverband von über 400 BQG, behauptet, ihre Arbeit diene dazu, "dass
jeder Mensch zur selbstbestimmten Teilhabe an der Gesellschaft die
Chance auf Arbeit und Bildung erhält." In Wirklichkeit sind sie ein
Instrument der Gängelung von Erwerbslosen; in ihrer Eigenschaft als
Ketten- und Meldehunde des Amtes sind sie aktiv mitverantwortlich
dafür, dass diese zunehmend mit Leistungssanktionen in ein prekäres
Leben getrieben werden. Diesen Zusammenhang gilt es öffentlich zu
thematisieren.
Kampf um Zwangsmaßnahme?
Sicherlich mag manch einem die Frage auf der Zunge liegen, ob es
angemessen ist, für die Fortsetzung eines Arbeitsverhältnisses zu
kämpfen, das auf Zwang und Maßregelung beruht. Dazu sei gesagt, dass
wir als SyndikalistInnen Maximalforderungen vertreten und dennoch ganz
bewusst rein tagespolitische Kämpfe führen. Dabei geht es um ganz
konkrete Verbesserungen im Rahmen des Möglichen, durch die selbst eben
jener Rahmen wieder erweitert wird, indem wir unsere eigene Stärke
zunehmend maximieren.
Zudem ist es durchaus ein reeller Unterschied für den Betroffenen, wenn
er aus solch einer Stelle gekündigt und in seinen
Einkommensmöglichkeiten weiter beschnitten wird. Besonders gilt dies,
wenn dem weitere Sanktionen durch das Jobcenter folgen und seine
Existenzsicherung endgültig prekär wird. Allein deswegen ist solch eine
Kündigung nicht hinnehmbar. Erst wird der Betroffene in die Maßnahme
gepresst, dort gekündigt, weil er sich nicht richtig fügt, und
schließlich auf Grund der Denunziation des ABM-Trägers vom Jobcenter
bestraft. Der ABM-Träger ist somit definitiver Erfüllungsgehilfe des
Amtes. Im konkreten Fall der ZIM darf das nicht ungestraft bleiben,
während der Grund für die Leistungskürzung obsolet gemacht werden muss.
Darüber hinaus geht es im Syndikalismus auch immer um mehr als nur den
konkreten Erfolg: eine Würde ist zu verlieren und eine Perspektive zu
gewinnen. Niemand soll einem organisierten Gewerkschafter einfach so
und ohne Konsequenzen kündigen. Der ZIM und anderen ABM-Trägern soll
das eine Lehre sein, so dass ihr Regiment in Zukunft die Zügel lockerer
halten muss. Erfolg und Misserfolg sind so immer relativ zu sehen. Und
unabhängig davon sollen solche Arbeitskämpfe auch stets Inspiration für
andere Entrechtete sein: sie zeigen, was eine kämpferische Gewerkschaft
ausmacht, die sich solidarisch für jedes einzelne Mitglied einsetzt.
Lars Röhm & Holger Marcks
Mitglieder der FAU Berlin protestieren vor einer ZIM-Einrichtung gegen die Kündigung
Unterstützt Oli und die FAU Berlin!
Helfen könnt ihr, indem ihr der ZIM und zusammenhängenden Verbänden
Protestschreiben schickt. Die ZIM u.a. ist Mitglied bei der
Interessenvertretung Freier Träger, der Bundesarbeitsgemeinschaft
Arbeit und dem Paritätischen Wohlfahrtsverband. All diese Verbände sind
mit in der Verantwortung, wenn es um die Missstände bei der ZIM geht.
Protestmails und (vorzugsweise) -faxe schickt bitte mit eindeutigem
Inhalt an:
ZIM – info@zim-bqg.de
Fax: 030-54684321
Interessenvertretung Freier Träger –
kontakt@freie-traeger-mh.de
030-56841189
BAG Arbeit (Gesamtverband)
info@bagarbeit.de – 030-28305820
BAG Arbeit (Berliner Verband)
info@bvaa-online.de – 030-616545340
Paritätischer Wohlfahrtsverband (Gesamtverband)
info@paritaet.org – Fax: 030-24636110
Paritätischer Wohlfahrtsverband (Berliner Verband)
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