Gedenkveranstaltung an das spanische Exil in Frankreich
Die Veranstaltungsreihe wurde organisiert von der Région Parisienne
der französischen Gewerkschaft CNT-F und der Auslandsregion der
spanischen CNT. Sie startete am Freitag, den 6. Februar mit einer
Ausstellung über die spanischen Republikaner. Ebenfalls am Freitag fand
dort im völlig überfüllten Veranstaltungsraum der Rue des Vignoles eine
Diskussionsveranstaltung über die Deportationen in das KZ Mauthausen
und über die herausragende Rolle der SpanierInnen in der französischen
Resistance statt. Dieses Thema wird in Frankreich weitgehend
tabuisiert. Man lässt sich dort nicht gerne daran erinnern, dass es
spanische Freiwillige waren, die Ende August 1944 als erste das
befreite Paris erreichten und die ihre Schützenpanzer und LKWs mit den
Namen bekannter spanischer Anarcho-Syndikalisten und Schauplätze aus
dem spanischen Bürgerkrieg bemalt hatten. Noch weniger möchte man in
Frankreich daran erinnert werden, dass hunderttausende Männer, Frauen
und Kinder auf der Flucht vor dem faschistischen Franco-Regime in
französische Internierungslager gesteckt wurden, wo viele von ihnen
eine leichte Beute der deutschen Besatzer wurden.
Am Samstag, den 7. Februar, nahmen bis zu 200 Menschen mitten in
dichtem Schneetreiben an einer Gedenkveranstaltung auf dem Friedhof
Père Lachaise teil. Am Mahnmal für die mehr als 12.000 ins KZ
Mauthausen verschleppten Franzosen erinnerte ein Vertreter der
anarcho-syndikalistischen Gewerkschaft FAU-IAA aus Deutschland daran,
dass die Nazis auch mehr als 7.500 Spanier in diese Hölle getrieben
haben. Über 4.200 von ihnen, darunter viele Anarcho-Syndikalisten
starben in diesem KZ. Die Überlebenden begrüßten die amerikanischen
Truppen, die im Frühjahr 1945 in Mauthausen einrückten, mit einem
riesigen Spruchband auf dem zu lesen war "Los Españoles antifascitas
saludan a las Fuerzas Liberadoras" - Die antifaschistischen Spanier
grüßen die Befreier." Vor dem in unmittelbarer Nähe liegenden
Gedenkstein für die im Kampf um die Befreiung Frankreichs gefallenen
SpanierInnen, schilderte ein überlebender Genosse mit bewegter Stimme
seine Erinnerungen aus "einer Hölle, die nicht einmal Dante sich
ausmalen konnte".
Im Anschluß zogen die TeilnehmerInnen in einem Demonstrationszug vom
Friedhof Pere Lachaise zum Lokal der CNT in der Rue des Vignoles. Dort
wurde eine Gedenktafel für die spanischen Anarcho-SyndikalistInnen in
Frankreich eingeweiht. Dabei wurde daran erinnert, dass die Lokale der
CNT in Paris und insbesondere die "kleine Zitadelle" in der Rue de
Belfort in Toulouse über Jahrzehnte die Brennpunkte gewesen sind, in
denen der gewerkschaftliche und der Guerilla-Kampf gegen die
Franco-Diktatur organisiert wurde und die Ideen des
Anarcho-Syndikalismus und des libertären Kommunismus wachgehalten
wurden.
Am Samstagabend fand eine weitere gutbesuchte Veranstaltung statt, deren Thema der Kampf der CNT im Exil nach 1939 war.
Für die aus Deutschland angereisten Anarcho-SyndikalistInnen war das
Wochenende in Paris auch eine - vielleicht letzte - Gelegenheit sich
bei den GenossInnen der spanischen CNT im Exil zu bedanken. Die hatten
nämlich eine nicht unbedeutende Rolle gespielt, als sich Mitte der 70er
Jahre junge ArbeiterInnen aus Deutschland für Betriebskämpfe abseits
stalinistischer K-Gruppen und reformistischer Gewerkschafts- und
Betriebsratsmeierei zu interessieren begannen. Der dabei entstandene
Dialog mit spanischen GenossInnen in Frankreich und der BRD führte
schließelich, neben anderen, zur Gründung der FAU im Jahre 1977.
In den letzten Jahren sind viele Militante des spansichen Exils in
hohem Alter gestorben. Die, die noch konnten, sind mit durch die
verschneiten Straßen von Paris gezogen. Ihnen ganz besonders galt das
Zitat von Buenaventura Durruti auf dem Transparent der FAU: "Nous
portons un monde nouveau dans nos cœurs - Wir tragen eine neue Welt in
unseren Herzen".
Die Ansprache am Mauthausen-Mahnmal
Wir haben uns heute hier vor dem Ehrenmal für die Menschen versammelt, die durch die Hölle des Konzentrationslagers von Mauthausen gegangen sind und von denen viele zehntausende dort ermordet wurden.
Die Nazi-Barbarei war nicht zuletzt der Versuch des deutschen Kapitals, der letzten großen Weltwirtschaftskrise durch einen mörderischen Raubzug zu entkommen. Das erste Opfer des Faschismus war deshalb das organisierte Proletariat in Deutschland selbst und besonders dessen kämpferischste Teile, wie etwa die revolutionären Syndikalisten der "Freien Arbeiter Union Deutschlands".
Wenn heute ein revolutionärer Syndikalist aus Deutschland hier diese Ansprache hält, ist das auch ein Dank dafür, dass es nicht zuletzt der französische und der spanische Widerstand gegen den deutschen Faschismus war, der dafür gesorgt hat, dass wir uns heute an diesem Mahnmal versammeln können.
Mauthausen nimmt unter all den Lagern der Vernichtungsmaschine der Nazis eine ganz besondere Rolle ein. Es sticht nicht in erster Linie durch den industriell betriebenen millionenfachen Massenmord an der jüdischen Bevölkerung Europas hervor wie Auschwitz oder Sobibor. Mauthausen mit all seinem Schrecken war stattdessen ein Schmelztiegel all dessen, wogegen sich der Vernichtungswille der Nazi-Barbarei richtete. In Mauthausen schleppten sich deutsche Antifaschisten die Treppe zum Steinbruch hinauf, zusammen mit jüdischen Menschen, russischen Kriegsgefangenen, jugoslawischen Partisanen. Mehr als 200.000 Menschen aus 30 Ländern gingen durch dieses Inferno aus Mord und Vernichtung.
Unter all den Menschen, die von den Nazis in Mauthausen ermordet wurden, wollen wir uns heute einer Gruppe ganz besonders erinnern. Nicht um sie gegenüber ihren Leidensgenossen hervorzuheben, sondern weil heute ein Tag ist, der in besonderer Weise ihrem Andenken gewidmet ist. Ich will von den mehr als 7.500 Spaniern sprechen, die ab 1940 nach Mauthausen verschleppt wurden und von denen mindestens 4.200 in den Steinbrüchen der infamen "Vernichtung durch Arbeit" anheim fielen.
Die meisten der spanischen Gefangenen in Mauthausen sind durch die Hölle nicht nur von einem sondern von gleich zwei Lagersystemen gegangen. Sie hatten gehofft, auf ihrer Flucht vor dem spanischem Franquismus und dessen deutschen und italienischern Helfershelfern eine sichere Zuflucht in Frankreich zu finden. Sie wurden bitter enttäuscht.
Hunderttausende spanischer Antifaschisten, unter ihnen viele revolutionäre Syndikalisten, wurden in den Lagern wie Argelès-sur-Me und anderen unter unmenschlichen Bedingungen interniert. Nach dem Überfall Nazideutschlands auf Frankreich wurden viele von ihnen auf diese Weise eine leichte Beute für den mörderischen Rachedurst des deutschen Faschismus.
Diejenigen, die nicht in den Steinbrüchen von Mauthausen tot zusammenbrachen, die nicht in der Gaskammer verreckten, in den Baracken verhungerten oder an Typhus und anderen Krankheiten zugrunde gingen, haben uns nachfolgenden Generationen aber auch eines gezeigt: Dem europäischen Faschismus und seinen Finanziers in den Chefetagen des Kapitals ist es nicht gelungen, das organisierte Proletariat zu zerbrechen. Als am 5. Mai 1945 Mauthausen durch amerikanischen Truppen befreit wurde, sahen diese schon von weitem ein riesiges Transparent mit der Aufschrift "Los Españoles antifascitas saludan a las Fuerzas Liberadoras" - Die antifaschistischen Spanier grüßen die Befreier.
Dieser mutigen Antifaschistischen und all der anderen ungezählten Opfer der barbarischen nazistischen Vernichtungsmaschine wollen wir uns heute erinnern, indem wir uns den Schwur der Gefangenen von Mauthausen in Erinnerung rufen, der bis heute uneingelöst geblieben ist:
"Im Gedenken an das vergossene Blut aller Völker, im Gedenken an die Millionen, durch den Nazifaschismus ermordeten Brüder geloben wir, daß wir diesen Weg nie verlassen werden. Auf den sicheren Grundlagen internationaler Gemeinschaft wollen wir das schönste Denkmal, das wir den gefallenen Soldaten der Freiheit setzen können, errichten: Die Welt des freien Menschen. Wir wenden uns an die ganze Welt mit dem Ruf: Helft uns bei dieser Arbeit. Es lebe die internationale Solidarität! Es lebe die Freiheit!“
[Nachtrag LPA: Vergessen wurde in diesem Artikel, wie auch in der dort
gehaltenen Rede, daß auch deutsche anarchistische und
anarchosyndikalistische Genossen in der französischen Résistance
mitkämpften, die teils schon im Spanischen Bürgerkrieg mitgekämpft hatten.
So August Levien und seine Lebensgefährtin Martha Wüstemann (Nom de
Guerre: Julia Alino) aus Leipzig, beide Mitglieder der FAUD und der DAS.
Levien hatte in der Columna Durruti, Centuria Erich Mühsam gekämpft und
wurde als französischer Widerstandskämpfer mit falschen Papieren
verhaftet. Mehr tot als lebendig wurde er in Auschwitz befreit. Martha
überlebte im Untergrund. Prominent auch der Gründer des ersten
Anti-Kriegs-Museums in Berlin, Ernst Friedrich, der Offizier der
Résistance war und nach dem Krieg bei Paris in der Seine die "Ile de la
Paix" als internatinales Antikriegszentrum errichtete. Und viele andere.]
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