Erklärung der ZSP zum Bildungsstreik in der BRD und zum Bologna-Prozess
Die Proteste richten sich auch gegen die Tendenz des Staates zur
Neuverteilung von öffentlichen Mitteln, die eigentlich für weite breite
gesellschaftliche Bereiche gedacht sind. Diese Veränderungen werden
auch negative Auswirkungen auf die Arbeitsbedingungen von LehrerInnen,
DozentInnen, ProfessorInnen und andere Beschäftigte an Schulen und
Hochschulen haben. Viele von ihnen werden sich am Rand der prekären
Beschäftigung wiederfinden, einige werden ihren Job verlieren.
Wir unterstützen die Kämpfe von SchülerInnen und LehrerInnen, die nicht
bereit sind, die systematischen Veränderungen mitzutragen, welche die
Lücke zwischen den Reichen und den Armen noch größer machen würden. Die
wachsende Barriere zwischen ihnen wird die strukturellen Ursachen der
Armut ebenso vergrößern wie sie die Lebensbedingungen vieler
ArbeiterInnen, einschließlich der BildungsarbeiterInnen, verschlechtern
wird.
Viele dieser Veränderungen, die überall in Europa im Bildungswesen
eingeführt werden, konzentrieren sich rund um die Visionen, die von den
Initiatoren des Bologna-Prozesses entwickelt wurden. Obwohl wir gegen
die Grundannahmen dieses Prozesses sind, glauben wir nicht, dass dieser
Prozess selbst die Hauptursache für das Problem ist. Die tiefergehenden
Wurzeln des Problems sind mit dem Kapitalismus und der Rolle der
Bildung als Werkzeug der Erzeugung von Eliten und der Zurichtung zur
Vereinzelung in Übereinstimmung mit den Werten der Klassengesellschaft
verbunden.
Wir stimmen nicht mit einigen sozialdemokratischen Positionen überein,
die häufig von manchen GegenerInnen der Kommerzialisierung von Bildung
angeführt werden. Darunter sind Auffassungen wie die, dass "Bildung vom
Staat betrieben werden sollte" oder dass "die Universität in ihrer
derzeitigen Form bewahrt werden müsse". Wie in einigen anderen
Lebensbereichen auch, mag es sein, dass die Bewahrung des derzeitigen
Systems besser sein kann als die Zukunft, welche die Neoliberalen für
uns vorbereitet haben. Das bedeutet allerdings nicht, dass wir für eine
Unterstützung des Status Quo wären. Die Universität ist bereits jetzt
ein Werkzeug der Elitenförderung, der Hierarchie und des
Duckmäusertums. Der Zugang der Armen zu Bildung existiert häufig nur
auf dem Papier. Bildungseinrichtungen sind ein Werkzeug der sozialen
Indoktrination.
Für uns ist Bildung eher ein andauernder Prozess als eine Institution.
Bildung muss nicht mit Diplomen verbunden sein, mit Karrieren und den
Erfordernissen des Arbeitsmarktes. Unsere Vision von Bildung ist offen
für alle - und zwar offen für wirklich alle und nicht nur für eine
kleine Gruppe von Leuten, die sie sich leisten können und sich in ein
Modell von Anpassung an Hierarchie und Noten einfügen. Das Modell von
Bildung, das wir wollen, basiert in allererster Linie auf
Zusammenarbeit, auf dem Teilen von Wissen in Übereinstimmung mit den
libertären Prinzipien.
Wir rufen alle BefürworterInnen libertärer Bildung dazu auf, an den
Protesten teilzunehmen und die Gelegenheit zu nutzen, Diskussionen über
die Modell von Bildung jenseits des neoliberalen oder
sozialdemokratischen Rahmens zu eröffen.
Union der SyndikalistInnen (Polen)
15. Juni 2009
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