Düsseldorf: Nachrichten aus dem Strafvollzug – eine Nachbetrachtung
Unglaublich inspirierend.
Klingt blöd, ist aber das Passendste, was mir zu der Lesung aus Thomas Meyer-Falks Buch „Nachrichten aus dem Strafvollzug“ einfällt. Mit zu diesem Eindruck beigetragen hat bestimmt auch die von Uwe Neubauer ausgesprochen gut vorgetragene Textauswahl.
Was war daran so besonders? Ich konnte mir vorher nicht vorstellen, dass jemand mit so wenigen verständlichen und dazu manchmal bitter-komischen Szenen die Hauptthesen aus Michel Foucaults: „Überwachen und Strafen!“ rüberbringen könnte… und nicht nur die.
Was sonst nur akademisch diskutiert wird, illustriert Thomas Meyer-Falk klarsichtig mit seinem eigenen Erleben im Knast. Anhand des Verbots von Mohnbrötchen zeigt er, wie Herrschaftsmechanismen durchexekutiert werden. Letztlich warum die Verhältnisse „drinnen“ strukturbildende Funktion für die Gesellschaft „draußen“ haben.
Er bleibt aber nicht bei den eigenen Erlebnissen stehen und er ist weit davon entfernt eine Märtyrerrolle einzunehmen. Ganz im Gegenteil ist er geradezu rücksichtslos analytisch – rücksichtslos denen gegenüber, die lieber an Mythen festhalten und sich nur für „unschuldige Opfer“, einsetzen wollen. Er stellt auch die strukturelle Gewalt dar, die denen widerfährt, die nicht gerade als Werbefigur für eine Gesellschaft ohne Knäste taugen: Kinderschänder, Frauenmörder und ähnliche Unsymphaten.
So radikal zu denken ist sicherlich nicht weit verbreitet und offensichtlich für manche nicht auszuhalten. Zumindest die deutsche Justiz bescheinigt Thomas Meyer-Falk eine so hohe Gefährlichkeit, dass sie ihn auf unbestimmte Zeit (ggf. bis zu seinem Tod) in der geschlossenen Psychiatrie in sogenannter Sicherungsverwahrung einsperrt.
Jetzt will ich nicht hinter seine Analyse zurücktreten und auf seine Unschuld oder Ungefährlichkeit abheben – wohl aber mit einer analytischen Frage enden.
Was bedeutet es für eine Gesellschaft, wenn sie Menschen für etwas einsperrt, was sie vielleicht in Zukunft tun könnten?
Die Veranstaltung war auch deshalb so gut, weil sie sich getraut hat Fragen aufzuwerfen, auch wenn die Antwort (noch) nicht klar ist.
Wer sich da mal an die Grenzen der eigenen Radikalität vorwagen möchte, dem sei das Buch von Thomas Meyer-Falk wärmstens empfohlen.
Karl T. Offel & Frank Tenkterer
Thomas Meyer-Falk : „Nachrichten aus dem Strafvollzug“
(Herausgegeben von Jerk Götterwind im Blaulichtverlag 2010 – 9,80.-)
Artikelaktionen