Dokumentation: Journalisten und ihr Glaube
Religiöse Symbole, von links nach rechts Zeile 1 Christentum, Judentum, Hinduismus Zeile 2 Islam, Buddhismus, Shintō Zeile 3 Sikhismus, Bahai, Jainismus
Beitragstext:
Spiritualität ist in. Glaube ist in. In der Bibel lesen ist in. Ausschnitt vom Kirchentag: Ben Becker, Schauspieler: „ Und Gott sprach: Es werde Licht. Und es ward Licht und Gott sah, dass das Licht gut war.“ Davon scheinen sich nicht nur Promis, sondern auch Journalisten inspirieren zu lassen. Bettina Schausten, Innenpolitik-Chefin, ZDF: „Der Journalist soll ja öfter mal entscheiden, über gut und böse. Und da hilft ein gutes Wertegerüst, das nicht nur aus dem Bauch entscheiden zu müssen, sondern da eine gewisse Linie zu haben, die mein Glaube mitbringt.“ Peter Frey, Hauptstadtstudio-Leiter, ZDF: „Vielleicht ist die Annäherung an bestimmte Themen und auch an bestimmte Menschen, wie man auf Menschen zugeht. Das kann man ja nicht rauslassen.“ Gisela Friedrichsen, Gerichtsreporterin („Der Spiegel“): Ich denke, dass ich in Ausübung meines Berufs mich besonders daran störe, wenn mit Menschen unmenschlich umgegangen wird – auch von meinen Kollegen manchmal – wenn Straftäter als Bestien, als Monster bezeichnet werden. Das geht mir einfach gegen den Strich, weil ich als Kind gelernt habe, dass auch der Mensch, der gesündigt hat, ein Geschöpf Gottes ist.“
Religiöse Journalisten
Glaube: Mit dieser einen Sache machen sich viele Journalisten gemein. Eine Studie der Uni Münster zeigt: Besonders kommentierende Journalisten sind religiös. Karl Gabriel, Professor für Theologie (Uni Münster): „Es ist schon etwas, dass man sich berufen fühlt, in der Öffentlichkeit etwas Wichtiges zu sagen, was man auch irgendwie unterlassen kann.“ Wer glaubt, so die Studie, scheint insgesamt sendungsbewusster zu sein. Mit dieser Eigenschaft landen viele im Journalismus. Matthias Drobinski, „Süddeutsche Zeitung“: „Tatsächlich glaube ich, dass ein christlicher Hintergrund, ein sehr christliches Leben, eine christliche Ausprägung ein bisschen dazu verleitet, so’n Pathos sich anzueignen, so dieses etwas missionarische – ich möchte etwas vermitteln.“ Nicht nur studierte Theologen, wie der Journalist Peter Hahne – vermitteln gern ihre Sonntagsgedanken. Prof. Karl Gabriel, Professor für Theologie (Uni Münster): „Also wenn man sich im Moment Deutschland anschaut, dann haben wir ja ein Drittel Katholiken, ein Drittel Protestanten, nicht ganz ein Drittel, die keiner Konfession angehören und die sich überwiegend als atheistisch und nicht religiös bezeichnen. Dann kann man klar sagen, dass die Gruppe der Nicht-Religiösen, der Atheisten, dass die eben schon stark unterrepräsentiert sind.“
Draht nach oben
Überrepräsentiert dagegen die Meinung der anderen. Fotos vom – religiösen – Bildkorrespondenten Andreas Englisch. Professionelle Distanz scheint im Vatikan schnell verloren zu gehen. Der Zugewinn statt dessen: Ein direkter Draht nach oben. Andreas Englisch, Redakteur „Bild“: „Ich bin eigentlich nur hier gelandet, weil man damaliger Chef mich fragte, ob ich was von der katholischen Kirche verstehe. Ich hatte keine Ahnung - von gar nichts. Aber ich war mal Messdiener gewesen, das reichte, um hier den Job zu kriegen.“ Heute gibt’s bei Andreas Englisch selbst die tägliche Verkündigung – im Internet. Matthias Drobinski, Redakteur „Süddeutsche Zeitung“: „In Teilen verlässt er den Journalismus, muss man ehrlich sagen. Dann ist es so eine Art Entertainment, Erlebnisschilderung und das, was die „Bildzeitung“ natürlich auch zum Teil bei anderen, bei einen Fankult, bei einer Starverehrung ja auch macht. Das ist in diesem Sinne ein Geschäft auf Gegenseitigkeit.“ Religiöse Themen sind in aller Munde: „Was soll ich glauben?“ (Titelblatt in der Zeitung „Die Zeit“ vom 8. Februar 2007) Auch seriösen Zeitungen, wie der „Zeit“, ist das Thema einen Titel wert.
Gute und schlechte Religionen
Aber es scheint gute und schlechte Religionen zu geben. Lamya Kaddor, Islamwissenschaftlerin: „Zumindest gibt es eine Affinität zum Christentum und zu christlichen Werten. Der Buddhismus kommt noch sehr positiv weg. Der Dalai Lama, everybodys darling, wird ja auch von der „Bildzeitung“ sehr positiv aufgenommen. Aber alles andere, der Islam ist immer die Bedrohung. Prinzipiell ist der Islam die Bedrohung.“ Sonja Zekri, „Süddeutsche Zeitung“: „Womit ich immer ein Problem habe ist, wenn es darum geht, dass wir nicht nur von radikalisierten Muslimen reden, sondern dass die Religion insgesamt, Muslime insgesamt, unter Generalverdacht gestellt werden. Jedes mal, wenn ein Muslim in einer Talkshow sitzt und er muss als erstes ein Bekenntnis zum Gewaltverzicht ablegen, obwohl er nie in irgendeiner Weise mit der Gewalt sympathisiert hat, stigmatisieren wir diese Menschen.“ Gut drei Millionen Muslime leben in Deutschland. Für den „Spiegel“: „Mekka Deutschland“ („Spiegel“ Titelblatt Ausgabe) . Er spricht von einer „stillen Islamisierung“. Sonja Zekri, „Süddeutsche Zeitung“: „Diese Spiegeltitel bremsen zwei Zentimeter vor der offenen Stigmatisierung, aber es spielt mit den Ängsten.
Gratwanderung
Es geht sozusagen darum, den Islam als etwas unaufhaltsames darzustellen, als eine große Macht, der wir in irgendeiner Weise ausgeliefert sind. Wo wir jetzt alle zusammenstehen müssen.“ Film „der große Graben“ im ZDF. Es geht um religiösen Extremismus - auf muslimischer und christlicher Seite. Für den Katholiken Elmar Theveßen eine Gratwanderung. Elmar Theveßen, Stellvertretender Chefredakteur ZDF: „Für mich muss Journalismus religionsblind sein. Ich möchte nicht, dass in meiner Berichterstattung durchscheint, dass ich hier christliche Werte weiterverbreiten will.“ Doch wo sind die Grenzen, wenn der Privatmann Theveßen an einer katholischen Akademie eine Rede hält, die er selbst beim Journalisten Theveßen nicht durchgehen lassen würde? Ausschnitt aus Rede von Elmar Theveßen: „Gottlose Gesellschaften sind fruchtbarer Boden für politischen und religiösen Extremismus, die Diktatur des Relativismus ist sein Dünger!“ Elmar Theveßen, Stellvertretender Chefredakteur ZDF: „Am Ende muss getrennt werden bei der Arbeit, zwischen journalistischen Prinzipien und diesem Sendungsbewusstsein als Christ im Hintergrund.“ Würde ein Moslem so ein Buch schreiben? Würde er von einer „islamistischen Bedrohung“ sprechen? (Buch „terroralarm“ von Elmar Theveßen) Das werden Journalisten und Redaktionen nur herausfinden, wenn Muslime im deutschen Journalismus mehr als ein „Forum am Freitag“ im Internet bekommen. Matthias Drobinski, Redakteur „Süddeutsche Zeitung“: „Das wäre natürlich spannend, wenn wir jetzt mal ganz hart sagen würden, würden wir es ertragen, wenn wir einen Muslim Leitartikel schreiben lassen, der für die Verschleierung eintritt? Ich glaube, da hätten wir alle ein Problem damit, also ich zumindest hätte das, das als Leitartikel zu akzeptieren. Aber das müssten wir dann vielleicht auch akzeptieren.“
Von Boulevardschlachten über Rosenkriege bis hin zu den Image-Kampagnen der Polit-Szene - Zapp blickt hinter die Kulissen der Medienwelt.

Wiederholung der Sendung
24.04.2009 01:30 Uhr
Journalisten und ihr Glaube
Journalisten sollen wissen, nicht glauben. Aber manche sind eben doch religiös und lassen sich auch im Beruf davon leiten.
Länge: 06:35 Minuten
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