Dokumentation: Für politischen Streik
Von Katrin Maja Küfer, junge Welt, 2.2.10,
http://www.jungewelt.de/2010/02-02/001.php
Nach dem Gewerkschaftstag der IG Bauen, Agrar, Umwelt (IG BAU) hat sich
nun auch erstmals eine wichtige Gliederung des Deutschen
Gewerkschaftsbundes (DGB) die Forderung nach einem umfassenden
politischen Streikrecht zueigengemacht. So verabschiedete der DGB-Bezirk
Hessen-Thüringen bei seiner jüngsten Konferenz am Wochenende in Bad
Hersfeld einen entsprechenden Antrag des Thüringer DGB-Landesvorstands.
Darin wird »ein umfassendes Streikrecht gemäß dem Artikel 6 Abs. 4 der
Europäischen Menschenrechts- und Sozialcharta sowie den Übereinkommen 87
(Vereinigungsfreiheit) und 98 (Versammlungsfreiheit) der Internationalen
Arbeitsorganisation (ILO)« gefordert.
In der Antragsbegründung wird darauf verwiesen, daß politische
Entscheidungen zunehmend direkt und indirekt die Tarifverhandlungen
zwischen den Gewerkschaften und den Arbeitgeberverbänden
beeinträchtigten und der Gesetzgeber unmittelbar in die
Einkommensverteilung eingreife. Dabei blieben die Interessen der
Lohnabhängigen auf der Strecke. Schwer erkämpfte gewerkschaftliche
Erfolge würden durch Gesetze wieder ausgehebelt. Somit gerate die
Tarifpolitik aus dem Gleichgewicht. Da die Gewerkschaften mit ihren
tarifrechtlichen Streikmöglichkeiten sich nicht mehr ausreichend wehren
könnten, sei ein umfassendes Streikrecht dringend notwendig.
Über diese Frage könnte es nun beim kommenden DGB-Bundeskongreß eine
lebhafte Debatte geben. Schließlich hatten die Delegierten des
IG-BAU-Gewerkschaftstages im September 2009 gegen den Rat des
Gewerkschaftsvorsitzenden Klaus Wiesehügel die Forderung nach
politischem Streikrecht in die Gewerkschaftssatzung aufgenommen. Wenige
Wochen später distanzierte sich Wiesehügel ausdrücklich von dem
Beschluß. »Das war der Wunsch der Mehrheit auf dem letzten
Gewerkschaftskongreß«, stellte der IG BAU-Chef in einem Interview fest:
»Ich war dagegen. Man spricht immer vom Generalstreik, den
Gewerkschaften führen sollen, um dies oder jenes zu erreichen. Da bin
ich anderer Meinung. Die Mehrheit der Arbeitnehmer hat entschieden, die
Regierung gerade so zusammenzusetzen, wie sie jetzt ist. Das Votum des
Wählers nicht zu akzeptieren, würde mich zu einem schlechten Demokraten
machen.« Diese Äußerungen hatten Kritik an der IG-BAU-Basis ausgelöst.
In Bad Hersfeld fand sich indes niemand aus der IG BAU oder einer
anderen Gewerkschaft, der im Sinne Wiesehügels die Stimme erhoben hätte.
Weitere auf der DGB-Bezirkskonferenz gefaßte Beschlüsse zielen auf
Senkung der Wochenarbeitszeit um mindestens fünf Stunden bei vollem
Lohnausgleich und die sofortige Rücknahme der »Rente 67«. Ebenso werden
die Gewerkschaften zu Aktivitäten gegen Privatisierung und PP-Projekte
und für die Rücknahme bereits durchgeführter Projekte aufgefordert.
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