Sie haben ein Buch über die 30jährige Geschichte Ihrer
Organisation herausgegeben. Gibt es einen Aufschwung syndikalistischer
Verbindungen in Deutschland?
Die Freie ArbeiterInnen Union (FAU) ist immer noch keine
Massenorganisation, aber sie wächst kontinuierlich. Ich selbst bin seit
Anfang der 90er dabei, als ich nach meiner autonomen Anarchophase etwas
gesucht habe, das besser zu meinen Vorstellungen von Verbindlichkeit
und zu meiner Lebenssituation als Lohnsklave paßte. Damals waren wir
gerade mal 80 bis 100 Leute. Heute sind wir ein Mehrfaches davon. Also
zwar immer noch jämmerlich wenig, aber immerhin so viele, daß wir
mittlerweile in der Lage sind, Dinge wie das »Strike-Bike« anzuschieben
und den einen oder anderen Arbeitskampf zu gewinnen. Der Angriff auf
die gesamte Klasse durch die Hartz-Gesetze und die globale Krise, in
die das Kapital gerade rauscht, hat vielen klargemacht, daß sie sich
zwecks Selbstverteidigung organisieren müssen und daß wir verschärft
darüber nachdenken sollten, wie eine andere Art von Gesellschaft auf
den Trümmern des Kapitalismus aussehen könnte. Also genau die Themen
der FAU. Wir spüren das seit drei Jahren deutlich, gerade haben wir
erst neue Syndikate in Solingen, Nürnberg und Schwerin aufgenommen, und
an anderen Orten gibt es weitere Gründungsinitiativen.
Es
ist aber nicht alles eitel Sonnenschein. Wir kämpfen damit, daß gerade
bei vielen Jüngeren eine Konsummentalität herrscht. Für einen
Zusammenhang, der wesentlich darauf basiert, daß die Mitglieder sich
selbst organisieren und Verantwortung übernehmen, ist das ein
Problem.Wir verzichten ganz bewußt auf einen Apparat. Das geht aber
nur, wenn wir das Wissen auf viele Schultern verteilen und uns
gegenseitig helfen können.
Wie ist das Verhältnis zu den offiziellen Gewerkschaften?
Viele
in der FAU haben ihre ersten Erfahrungen in den DGB-Gewerkschaften
gemacht, manche als Vertrauensleute oder im Betriebsrat. Die wissen
ganz genau, warum sie dort weg und zur FAU gekommen sind. Manche von
uns sind auch noch in einer DGB-Gewerkschaft. Mit KollegInnen von der
Basis kooperieren wir an manchen Orten und stellen dabei bisweilen
verblüfft fest, daß wir mehr aktive Leute haben als manches
DGB-Ortskartell. Da die meisten von uns aber in kleineren oder
mittleren Betrieben arbeiten, bekommen wir von den DGB-Gewerkschaften
häufig wenig mit, weil die dort kaum mehr vertreten sind.
Offiziell
existieren wir für die DGB-Gewerkschaften gar nicht, auch wenn ver.di
in diesem Jahr z.B. in München dafür gesorgt, daß die Polizei
FAU-Mitglieder aus einer Demonstration entfernt. Hinter den Kulissen
schauen sie sich aber sehr genau an, was wir tun und was sie von
unseren Aktionsformen für sich selbst nutzbar machen können. Manchmal
sind das kleine formale Geschichten, wie die schwarz-rote
Plakatästhetik, die ver.di seit einiger Zeit bevorzugt. Sie beobachten
unsere Kampagnen und Nestbeschmutzungs-Aktionen (Plus, Starbucks etc.)
sehr genau und versuchen, daraus Schmiermittel für ihren verrosteten
und verkrusteten Apparat zu destillieren. Sachen wie das
Lidl-Schwarzbuch oder die jüngste Aktion bei Kaisers in Berlin wären
vor einigen Jahren bei ver.di nicht denkbar gewesen. Daß sich Teile der
Berliner Politszene in letzter Zeit zum nützlichen Idioten machen
lassen, um der Gewerkschaftsbürokratie zu einem bewegungsaktiven
Feigenblatt zu verhelfen, finde ich übrigens ziemlich traurig.
Ist die FAU wirklich Syndikat im Sinne Rockers usw. oder eher Organisationsplattform für eher subkulturell-jugendliche Anarchos?
Weder
das eine noch das andere. Wir sind noch so wenige, daß es häufig sehr
schwierig ist, in betriebliche Kämpfe einzugreifen, zumal wir das ja
nicht stellvertretend tun, sondern dort, wo Leute von uns kollektive
Hilfe brauchen. Das läuft zwar alles schon deutlich besser als vor
einigen Jahren, aber angesichts der Krise würden wir gerne ganz anders
agieren können. Wichtig ist für uns, daß die FAU heute mehr als
Klassenkampforganisation auf libertärer Grundlage und weniger als
Ersatz für eine anarchistische Föderation gesehen wird. Dazu trägt auch
bei, daß wir in diesem Jahr unsere interne Struktur umgekrempelt und
mehr »gewerkschaftlich« ausgerichtet haben. Wobei wir das Wort
»Gewerkschaft« häufig mit Bauchschmerzen verwenden, weil
Anarchosyndikalismus so viel mehr beinhaltet, als der gewerkschaftliche
Trade-Unionismus, wir aber keine passenden Worte für solch eine
»Gewerkschaft neuen Typs« haben. So gesehen ist die FAU durchaus ihre
eigene Kultur, und sie klebt nicht nur am Betrieb. Sie ist aber
sicherlich keine Subkultur junger AnarchInnen. Schon alleine deshalb
nicht, weil es neben den vielen jungen Leuten, die in letzter Zeit zur
FAU gekommen sind, auch viele jenseits der 30 gibt. Wir sind keine
Jugendbewegung und auch nicht alle Anarchos. Unser Ziel ist eine
gewerkschaftliche Kampforganisation und Schule auf libertärer
Grundlage, durch die wir uns selbst verteidigen können und die
letztlich dazu beiträgt, dem Kapitalverhältnis den Garaus zu machen.