Dokumentation: Bochum/Cluj: Streit mit Nokia
"Neue Form der Sklaverei": Der rumänische Gewerkschaftsbund erhebt schwere Vorwürfe gegen Nokia.
Die Produktion ist gerade angelaufen - und schon gibt es Ärger
mit den Gewerkschaften. Nokia plane eine 60- bis 70-Stunden-Woche für
seine Mitarbeiter, das sei "eine neue Form der Sklaverei", so der
Vorwurf des rumänischen Gewerkschaftsbundes "Cartel Alfa" gestern.
Obwohl die Nokia-Spitze sofort dementierte - "Die Berichte über
Arbeitszeitverlängerungen sind falsch" -, ist der Konflikt mit den
Gewerkschaften damit nicht aus der Welt, im Gegenteil.
Zwar hat Nokia versprochen, sich an das rumänische Arbeitsrecht zu halten, das höchstens eine 48-Stunden-Woche erlaubt. Zufrieden ist das Unternehmen mit den gesetzlichen Bestimmungen aber nicht. Das liegt weniger an der gedeckelten Wochenarbeitszeit, sondern mehr an starren rumänischen Vorschriften, wie die Arbeitszeit verteilt werden muss.
Nokias Wünsche an den Arbeitsminister
Mitarbeiterinnen von Nokia in Jucu beim Produktionsstart.
Rumäniens Arbeitsminister Paul Pacuraru bestätigte inzwischen:
Nokia wünsche ein "flexibles" Arbeitsgesetz. Damit ist auch die
Verteilung der Wochenstunden gemeint. Bei vollen Auftragsbüchern könnte
länger als 48 Stunden in der Woche gearbeitet werden - in ruhigen
Zeiten dafür weniger. Die rumänischen Gewerkschaften befürchten, dass
aus verübergehenden Auftrags- und Arbeitsspitzen ein Dauerzustand
werden könnte, falls die Arbeitsgesetze geändert werden.
Mehr Flexibiltät bei den Arbeitszeiten könnte Nokia auch dabei helfen, den schon spürbaren Facharbeitermangel in der Boom-Region um Cluj (Klausenburg) auszugleichen. 350 Angestellte arbeiten derzeit im rumänischen Nokia-Werk. Innerhalb der kommenden zwei Jahre will man 3500 Arbeitsverträge abschließen.
Leergefegter Arbeitsmarkt
Doch der Arbeitsmarkt in den aufstrebenden neuen Industriezonen ist schon jetzt leergefegt, die Arbeitslosenquote liegt bei höchstens zwei Prozent. Viele Unternehmen könnten leicht noch qualifizierte Mitarbeiter einstellen - wenn sie welche bekämen. Zumindest Facharbeiter sind hier keine Sklavern, sondern umworbene Mitarbeiter. Die rumänische Regierung denkt schon darüber nach, Rumänen, die im Ausland arbeiten, mit Prämien zurück in die Heimat zu locken - vorausgesetzt, sie bringen die Qualifikation mit, die gebraucht wird.

Produktionsstandorte Nokia Mobile Phones, Stand Januar 2008. Hauptsitz: Espoo, Finnland.
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