Berlin: Schlußakkord im Kino Babylo(h)n
Denn die Belegschaft hat Verdi vollends abgeschrieben, keiner wollte
Anfang des Jahres Mitglied der Dienstleistungsgewerkschaft werden,
selbst als die Geschäftsleitung angekündigt hatte, nur Verdi-Leuten den
Tarif zu zahlen.
Und auch Verdi hat die Babylon-Belegschaft abgeschrieben, um die es dem
Verhandlungsführer Andreas Köhn nie ging. Schließlich galt es doch in
erster Linie, der überraschend schlagkräftigen Konkurrentin FAU Berlin
in ihrem Arbeitskampf Knüppel zwischen die Beine zu werfen.
Was jedoch laut Vertrag noch im Oktober verhandelt werden muss, könnte
die Situation der Beschäftigten im Babylon deutlich verbessern:
Nicht nur die Höhe des Schadenersatzes für die Unannehmlichkeit im
Babylon Verdi-Mitglied zu sein („Vorteilregelung für Verdi-Mitglieder“)
wird im Oktober verhandelt, sondern auch Kleidergeld, Zulagen und, man
höre und staune, die bislang ausgesetzte Vergütungstabelle.
Sollte diese wie vorgesehen gelten, könnten Filmvorführer im Babylon
wie in allen anderen Flächentarifkinos mehr als 12 Euro, anstatt 9,03
Euro pro Stunde verdienen, Kassierer etwa 8,50 Euro, anstatt 7,74 Euro
wie bisher.
Das Problem bei der Sache: Die Gewerkschaft Verdi hat sich im Babylon
als weder verhandlungs- noch tariffähig erwiesen. Selbst die
Gegnerfreiheit, also die Unabhängigkeit von der Geschäftsführung wird
Verdi von bösen Zungen im Babylon abgesprochen; zu eng verbinde beide
Parteien das gemeinsame Interesse: gegen die in der FAU Berlin
selbstorganisierte Belegschaft vorzugehen.
Womöglich werden beide, Geschäftsführung und Gewerkschasftsapparat
vertragsbrüchig und im Oktober überhaupt keine Verhandlungen mehr
führen.
Doch auch diese Option könnte interessant werden: Wenn sich keiner an
den Tarifvertrag hält, ist er offenbar ungültig. Ohne Tarifvertrag
keine Friedenspflicht. Wenn das mal nicht eine andere,
durchsetzungsfähige Gewerkschaft auf den Plan ruft…
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