Barcelona: Arbeitskampf bei dt. Militärdienstleister
Am 18. Januar 2008 hat die anarchosyndikalistische Gewerkschaft CNT-IAA
Barcelona ihre Organisation darüber informiert, dass sie ihre
Protestaktionen aus Solidarität mit dem Arbeitskampf in dem Betrieb
VAW-Avarto einstellt.
Wegen
der Verhandlungen, die zwischen dem Syndikat und der Firma aufgenommen
wurden, wird davon ausgegangen, dass der Konflikt auf dem Weg zu einer
Lösung ist. Um Anerkennung zu zeigen, werden daher alle
Arbeitskampfmassnahmen eingestellt und die anderen Gruppen der CNT-IAA
werden aufgefordert das ebenfalls zu tun.
Die CNT-IAA in
Barcelona führt seit Ende August 2007 einen Arbeitskampf gegen den zur
deutschen Bertelsmann-Gruppe gehörenden Betrieb VAW-Avarto (ehemals
"Verlag Automobil Wirtschaft") aus Grefrath am Niederrhein. Sie fordert
unter anderem die Anerkennung als gewerkschaftliche Betriebsgruppe.
Innerhalb
des Bertelsmann-Konzerns gehört die VAW-Arvato zum Unternehmensbereich
Arvato, der 1999 aus dem Unternehmensbereich „Druck- und
Industriebetriebe“ geschaffen wurde. Hier verfügt man über einschlägige
Erfahrungen mit der Disziplinierung der Beschäftigten, und aus diesem
Unternehmensbereich zieht sich Bertelsmann seit langem die zukünftigen
Chefs des Gesamtkonzerns heran.
Auch Gunter Thielen, der
gerade seinen Vorstandsposten bei Bertelsmann aufgab, um die Leitung
der Bertelsmann Stiftung zu übernehmen, konnte sich seinerzeit als Chef
der Bertelsmann-„Druck- und Industriebetriebe“ im Zuge der
Auseinandersetzungen um die Entlohnung der Wochenendarbeitszeit im
Umgang mit aufmüpfigen Beschäftigten profilieren. Als 1991 ein der
Geschäftsleitung ungenehmer Betriebsratsvorsitzender gewählt wurde,
traten Thielen und Thomas Middelhoff, der damalige vorsitzende
Geschäftsführer der Bertelsmann-Tochter Mohndruck, in Verhandlung mit
den widerborstigen Betriebsräten. Sieben Betriebsräte einschließlich
des Vorsitzenden legten daraufhin ohne Angabe von Gründen ihr Mandat
nieder und wechselten in verschiedene Führungspositionen. Der vorherige
Betriebsratsvorsitzende, ein Mann der „Partnerschaft“ zwischen
Beschäftigten und Geschäftsleitung, wurde wieder eingesetzt. (Quelle:
Böckelmann/Fischler: Bertelsmann: Hinter der Fassade des
Medienimperiums, Frankfurt a. M. 2004)
Hier einige Auszüge aus einem Text der CNT-IAA Barcelona vom Herbst 2007:
CNT-IAA erklärt Arbeitskampf mit VAW-Avarto
VAW
ist eine Firma, die zur Arvato-Gruppe gehört, ist spezialisiert auf
technisch-industrielle Übersetzungen. [...] Im März 2007 gründete die
CNT-IAA eine Gewerkschaftssektion in dem Betrieb, denn verschiedene
Arbeiter/innen suchten nach einer Alternative zur [reformistischen
Gewerkschaft] UGT. Doch die Direktion von VAW verschloss ihre Türen für
die Betriebssektion der CNT. Die Gewerkschaftsdelegierte werfen dem
Konzern vor, die Gewerkschaftsarbeit zu behindern und grundlegende
Rechte zu verweigern.[...]
Gegen die Unterdrückung von Gewerkschaften - Solidarität der Arbeiter/innen!
Quelle: http://www.cnt.es/noticia.php?id=3381
Über die VAW-Arvato:
Der "Verlag Automobil-Wirtschaft Ludwig
Peter van Well" wurde 2004 von dem deutschen Medienkonzern Bertelsmann
aufgekauft und firmiert seither unter dem Namen VAW-Arvato. Dieser
Verlag leistet bereits seit 1958 militärische Dienstleistungen für
öffentliche Auftraggeber z.B. im Bereich militärische Technische
Dokumentationen und Wartungsunterstützung. Kunden sind die deutsche
Bundeswehr, das niederländische Heer und andere NATO-Partner. http://www.vaw-arvato.com/index.php?id=64&L=12
Im
Oktober 2007 kaufte sich VAW-Arvato/Bertelsmann zwei neue Mitarbeiter
aus der Bundeswehr und der NATO ein. Jürgen Keulen, ehemaliger
Internationaler Beamter der NATO, war laut Website des Unternehmens
über die NAMSA (eine logistische Dienstleistungsorganisation für die
NATO-Staaten) als Teamchef einer mobilen Einsatztruppe für die
Kontrolle und Instandsetzung komplexer NATO-Kommunikationssysteme und
deren Abschirmung verantwortlich.
Über einen weiteren neuen Mitarbeiter gibt das Unternehmen bekannt:
„Dipl.-Ing.
Jörg Rogge, Oberstleutnant a.D., war in verschiedenen
Führungspositionen in der Luftwaffe und in der Streitkräftebasis
eingesetzt. Im Technischen Dienst war er zunächst für Softwarepflege-
und Änderung verantwortlich tätig, bevor er in einer Kommandobehörde
für Grundlagen und für die Einführung von Interaktiver Elektronischer
Technischer Dokumentation (IETD) in der Luftwaffe zuständig wurde.
Zuletzt war er Dezernatsleiter im zentralen logistischen Bereich der
Bw, in dessen Verantwortung u.a. das IETD-Projekt Bw-weit weitergeführt
wird. [...]“ http://www.vaw-arvato.com/index.php?id=24&L=12&tx_ttnews[tt_news]=151&tx_ttnews[backPid]=16&cHash=e00ab3e42b
Aktuell
bewirbt sich Arvato um einen Großauftrag der Bundeswehr. Mit diesem
bislang größten Privatisierungsprojekt will die Bundeswehr große Teile
ihrer sogenannten Basislogistik auslagern. Der Vertrag soll über zehn
Jahre laufen und ein Volumen von vier bis fünf Milliarden Euro
umfassen. Über die Vergabe soll im Sommer 2008 entschieden werden.
Mit
diesen Privatisierungs- und Umstrukturierungsmaßnahmen bereitet sich
die Bundeswehr auf vermehrte weltweite Kriegseinsätze vor.
Dazu berichtete der Tagesspiegel am 04.01.2008:
"Das
bedeutet, dass neben dem Personal auch immer mehr Material in die oft
tausende Kilometer entfernten Einsatzgebiete geschafft werden muss –
eine Aufgabe, der die Bundeswehr mit ihren logistischen Strukturen aber
oft nur teilweise gerecht werden kann. Beispielsweise verfügen die
deutschen Streitkräfte über kein weltweites Netz von Niederlassungen
wie etwa international tätige Speditionen. Diese könnten bei Bedarf
rund um den Globus auf Mitarbeiter zurückgreifen, die sich um
Zollangelegenheiten oder die Verladung von Gütern kümmern. „Die sind in
fast jedem Ort der Welt vertreten“, sagt General Ueberschaer. „So etwas
können sich die Streitkräfte aber nicht leisten." http://www.tagesspiegel.de/politik/deutschland/Bundeswehr;art122,2449448
Umfangreiche
militärische Aufrüstungsprogramme für die EU fordert seit vielen Jahren
die Bertelsmann Stiftung als Hauptaktionärin des Bertelsmann-Konzerns
(76,9 Prozent). http://www.heise.de/tp/r4/artikel/25/25765/1.html
http://akin.mediaweb.at/2005/11/11bertel.htm
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=11983
Ihre
Studien finanziert die Bertelsmann Stiftung aus ihren Aktiengewinnen,
die sie Dank staatlich anerkannter Gemeinnützigkeit steuerfrei
einstreicht. Kontrolliert wie die Stiftung jedoch von der
Eigentümerfamilie Mohn, die ihr 1993 die Mehrheit der Kapitalanteile
übertrug. Die Stimmrechte an diesen Aktien werden wiederum von der
Bertelsmann Verwaltungsgesellschaft ausgeübt, die ebenfalls von der
Eigentümerfamilie kontrolliert wird, gemeinsam mit mehreren
Spitzenmanagern des Konzerns, die jedoch erfahrungsgemäß nach Belieben
der Familie auch schnell gefeuert werden können.
1995 gründete
die Stiftung eigens einen Ableger für Spanien, die Fundación
Bertelsmann. 2005 kündigte die Fundación an, zukünftig in Spanien
operativ wirtschafts- und gesellschaftspolitisch Einfluss zu nehmen.
Außenpolitsch schmiedet die Bertelsmann Stiftung Pläne, die Expansion
des Konzerns im spanischsprachigen Raum abzusichern durch Einbindung
Spaniens in deutsche Herrschaftspläne für eine „Weltmacht EU“. In einem
Reflexionspapier der BertelsmannForschungsgruppe Politik von 2003
anlässlich des „DeutschSpanischen Forums“ heißt es: „Sowohl Spanien als
auch Deutschland fällt eine Schlüsselrolle als Mittler zu großen
politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Räumen zu.“ Spanien hätte
diese Funktion im Hinblick auf Lateinamerika. Die „Entwicklung einer
kohärenten Lateinamerika-Strategie der Europäischen Union“ liege im
Interesse Deutschlands als „zentralen Handelspartner der Region“. Dabei
zeichnet die Bertelsmann-Forschungsgruppe das Bild einer zukünftigen,
militärisch aufgerüsteten EU, die auch in lateinamerikanischen
„Krisen“-Regionen einsatzfähig wäre.
Mehr über Bertelsmanns Interessen in Lateinamerika: http://www.anti-bertelsmann.de/2007/BertelsmannLateinam.pdf
Siehe auch:
Die
Zukunft Europas gestalten – Deutschland und Spanien in der erweiterten
Europäischen Union. Reflexionspapier für das Zweite DeutschSpanische
Forum, Berlin, 1.2. Oktober 2003,
Bertelsmann Forschungsgruppe Politik;
deutsch: http://www.cap.lmu.de/download/2003/2003_DieZukunftEuropas.pdf,
spanisch: http://www.cap.lmu.de/download/2003/2003_Construirelfuturo.pdf
Weitere Infos (in Spanisch) zum Konflikt der CNT Barcelona mit der Bertelsmann-Tochter VAW findet ihr hier: http://barcelona.cnt.es/?p=557,
http://barcelona.cnt.es/?p=558,
http://barcelona.cnt.es/?p=563,
http://barcelona.cnt.es/?p=566,
http://barcelona.cnt.es/?p=586
Ausserdem
gibt es dort auch einen Bericht mit Bildern zu einer Protestaktion bei
VAW und SEAT (Hauptkunde von VAW) von Ende August: http://barcelona.cnt.es/?p=565
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