Alles in Frage stellen?
* Viele hundert Milliarden Euro sollen einen Flächenbrand löschen, der an immer neuen Stellen aufflackert.
* In den Talkshows sehen wir die fassungslosen Gesichter der
»Experten«, die jahrelang immer so forsch Bescheid zu wissen vorgaben.
* Panik flackert in den Augen der Politiker, wenn sie ihre
eilends zusammen gezimmerten Ermächtigungsgesetze bekanntgeben. Man
meint fast ihren Angstschweiß zu riechen, während sie zusehen müssen,
wie ihre scheinbar so fest gefügte Welt sich aufzulösen droht. Und es
muss noch viel mehr krachen, damit diese Arschgesichter ihre Arroganz
verlieren!
Aber die Krisen treffen
meistens uns, dafür sorgen Unternehmer und Politiker schon! Nach der
letzten wurde Hartz IV eingeführt, die Arbeitsbedingungen massiv
verschärft, die Leiharbeit und der Niedriglohnsektor gewaltig
ausgeweitet, Strom- und Gaspreise krass verteuert...
Diesmal ist nichts mehr sicher, weder Arbeitsplätze, noch der
Studienkredit, und schon gar nicht die Altersvorsorge. Für viele ist es
undenkbar, dass das kracht, denn es würde alles in Frage stellen.
Können wir uns vorstellen, uns gemeinsam gegen die Auswirkungen dieser
Krise zu wehren?
Das ist keine »Finanz- sondern eine Weltwirtschaftskrise«
Die Asien-Krise 1997 betraf nur eine Weltregion. Der Absturz der New
Economy betraf nur eine Branche. Diesmal sind wir am Beginn einer
Weltwirtschaftskrise. Die Arbeitslosigkeit steigt gewaltig an (im
Weltmaßstab und in Deutschland: allein in einer einzigen Region in
China sollen bis Jahresende zweieinhalb Millionen ArbeiterInnen
rausgeschmissen werden). Die deutsche Autoindustrie und ihre Zulieferer
sind bereits dabei, zigtausende von uns auf die Straße zu setzen. Auch
in Teilen des Dienstleitungssektors erleben wir schon jetzt
Kündigungswellen von 10 bis 20 Prozent der Belegschaften.
Bisher trifft die Krise viel stärker diejenigen, denen es sowieso schon
schlechter geht: Leiharbeiter werden rausgeschmissen, viele rutschen in
die Überschuldung, können ihre Miete nicht mehr zahlen, haben kaum noch
Geld für vernünftige Lebensmittel. Im Vergleich dazu geht es den
Stammbelegschaften mit wochenlanger Kurzarbeit noch relativ gut. Aber denkt nur nicht, dass das nur Leiharbeiter betrifft! Wir stehen erst am Anfang der Krise.
Sie versuchen, uns (die ArbeiterInnen rund um den Globus) das Ganze bezahlen zu lassen.
Die rot-grün-schwarzen Bundesregierungen haben Hedgefonds und
hochspekulative Papiere legalisiert, sie haben alles getan, damit
»Finanzinvestoren« Betriebe und kommunale Infrastruktur aufkaufen und
ausplündern konnten. Zu diesem Zweck haben sie die Zinsen so niedrig
gehalten, dass ein Sparbuch weniger als die Inflationsrate abgeworfen
hat; sie haben die Riesterrente eingeführt usw. Sie haben selbst genau das angerichtet, was wir jetzt ausbaden sollen!
Das Rettungspaket für die Banken ist eine unerhörte Frechheit! 500 Mrd.
Euro sind fast ein Viertel des Bruttoinlandsprodukts der BRD. Kredite
sind Ansprüche auf Gewinne aus zukünftiger Arbeit. Wir müssten also
fast drei Monate lang komplett für umsonst arbeiten und dabei weiter
unsere Miete, Heizung usw. zahlen, um diese Summe zusammenzubringen! Ab
1. Januar 15,5 % Krankenkassenbeiträge! Dass sie gleichzeitig die
Arbeitslosenversicherung absenken und die Kurzarbeit verlängern, zeigt,
wie genau sich der Staat den Unternehmerinteressen anschmiegt. Die Gas-
und Strompreise werden weiter erhöht, obwohl Erdöl usw. massiv billiger
geworden sind. Das sind alles keine Naturgesetze oder Sachzwänge,
sondern gezielte Politik.
Sie wollen das Banksystem retten, damit die Politiker an der Macht
bleiben und man uns weiter ausplündern kann. Und die Banken verteilen
die Fördermilliarden als Boni an die Manager und als
Dividendenzahlungen an die Aktienbesitzer! Jetzt schieben sie ein
Konjunkturprogramm nach: ein bisschen Gebäudesanierung, ein paar
Milliarden für die Autoindustrie und ihre Spritschlucker, Subventionen
für Hausbesitzer. Das ist Klientelpolitik, die der CDUSPD im Wahljahr
2009 helfen soll, aber lächerlich angesichts der Dramatik der Krise!
Gegen die helfen vermutlich keine Rettungsprogramme.
Was ist mit unserem »Kapitalbedarf«?
SPD und Grüne haben mit Hartz IV dafür gesorgt, dass der
Niedriglohnsektor in Deutschland so stark wie in keinem anderen Land
wächst. Bereits Ende 2007 haben rund 1,3 Millionen Erwerbstätige
aufstockendes ALG II bezogen, trotz Vollzeitjob! Trotz Boom hatten wir
auch in den letzten Jahren Reallohnverluste. Laut Statistischem
Bundesamt kann in der BRD inzwischen eder zwölfte Haushalt seine
Rechnungen nicht mehr bezahlen, weitere 1,5 Millionen Haushalte kommen
gerade so über die Runden, schon eine kaputte Waschmaschine kann dort
die Balance kippen. Die offizielle Hauptursache für Überschuldung ist
»Arbeitslosigkeit«. Also die übliche Mischung aus miesen, schlecht
bezahlten Jobs, ALG, Leiharbeit usw. Größere Lohnerhöhungen als die von
der IG Metall geforderten 8 Prozent sind nötig! Wie wäre es mit 500
Euro mehr für alle und Abschaffung der Leiharbeit?!
Geld kann nicht arbeiten...
Der Dummspruch »mein Geld arbeitet für mich« ist jetzt aufgeflogen!
Entweder jemand lässt andere für sich arbeiten - ein Unternehmer z.B. -
oder man muss selbst für den Lebensunterhalt arbeiten. Man kann wieder
Tacheles reden; statt vom »freien Spiel der Märkte« wird dieser
Sachverhalt jetzt wieder beim Namen genannt: »Kapitalismus«. Ein
System, das auf Ausbeutung unserer Arbeit beruht. Durch die Krise
werden die Verhältnisse klarer, aber es ist nicht ausgemacht, ob wir
gerade den Anfang vom Ende des Kapitalismus erleben, oder ob sich der
Kapitalismus umso strahlender und mörderischer aus dieser tiefen Krise
erheben wird. Das hängt ganz wesentlich von uns ab!
Es wird Zeit darüber nachzudenken, was wir auf den Ruinen tun, die sie uns hinterlassen werden.
Denn die tiefe Krise zeigt auch, dass uns das Kapital auch nach 30
Jahren Dauerangriff nicht besiegt hat, und dass ihnen die Optionen
ausgehen. Wir, die ArbeiterInnen überall auf dem Globus sind es, die
mit unseren selbstverständlichen Bedürfnissen das Kapital in die Klemme
getrieben haben. Weil sie aus den Fabriken und
Dienstleistungsunternehmen nicht genug Profit herausquetschen konnten,
mussten sie immer riskanter auf den Finanzmärkten spekulieren.
Wir haben aber auch die Fähigkeiten, die Weltgesellschaft am Laufen zu
halten! Wir tun es ja bereits, denn wir produzieren den
gesellschaftlichen Reichtum. Aber können wir uns wirklich vorstellen,
die Welt selbst zu regieren? Die Fragestellung scheint ungeheuerlich:
ohne Regierungen und Staaten, ohne Banken und Geld - wie kann das
gehen? Gibt es dann morgens Brötchen? Fahren die U-Bahnen? Wer streiken
kann - wie die BVG-Fahrer in Berlin - kann auch die Produktion und den
Betrieb aufrechterhalten. Noch viel wichtiger: der kann alles ändern
und dafür sorgen, dass wir nicht mehr länger uns selbst und den
Planeten mit unserer Arbeit und deren Produkten kaputtmachen! Es ist
schließlich nicht nötig, dass jemand morgens um 2.37 Uhr Schichtwechsel
hat! Oder dass jemand 40 Jahre lang acht Stunden am Tag in jeder Minute
dieselben 73 Schrauben anzieht. Da können wir uns ganz andere Dinge
vorstellen.
Und wenn das Geld in den letzten Jahren sowieso nur Spielgeld war - und
diese Spielchen nun so furchtbar zusammengekracht sind - können wir uns
dann nicht auch gleich eine gesellschaftliche Produktion ohne Geld
vorstellen? Müssen wir uns das nicht sogar vorstellen? Anstatt in Demut
abzuwarten, dass die Krise mal wieder auf unserem Rücken ausgetragen
wird, sollten wir da ein Wörtchen mitreden!
Denkt mal drüber nach! Und redet mit Euren KollegInnen. Wir melden uns demnächst wieder.
Alles in Frage stellen.
"Wir, die Arbeiter, haben all diese Paläste und Städte in Spanien,
Amerika und überall sonst gebaut. Wir, die Arbeiter, können neue an
ihrer Stelle bauen. Und bessere! Wir fürchten uns nicht im geringsten
vor den Ruinen. Wir werden die Erben der Erde sein, da gibt es nicht
den leisesten Zweifel. Die Bourgeoisie mag ihre Welt zerstören und
ruinieren bevor sie die Bühne der Geschichte verlässt. Wir tragen eine
neue Welt in uns, in unseren Herzen. Diese Welt wächst bereits in
dieser Minute."
(Buenaventura Durruti, 1896-1936)
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