Glückwünsche zu eurem diesjährigen (2006) Kongress
Die
Anarcho-Syndicalist Review ist ein unabhängiges ArbeiterInnenmagazin, das seit
1986 erscheint. Wir veröffentlichen in jeder Ausgabe eine zusammengefasste
Version der AIT/IWA-Prinzipien zum revolutionären Unionismus. Außerdem bieten
wir ein Forum für Neuigkeiten aus syndikalistischen Kämpfen und Analysen zu
Veränderungen in der Ökonomie und am Arbeitsplatz und wie unsere Bewegung in
jeder Lage am besten darauf antworten könnte. Als Hauptquelle zur Verbreitung
von Informationen über die Arbeit der AIT/IWA in den Vereinigten Staaten,
schätzen wir die Bemühungen einiger Sektionen sehr, mit uns Publikationen
auszutauschen und möchten alle Sektionen und das Sekretariat ermutigen uns
sowohl mit Neuigkeiten als auch theoretischen Dokumenten zu versorgen.
Die Vereinigten Staaten erleben eine steigende ökonomische Trennung, bei
welcher die Löhne der bestbezahlten ArbeiterInnen weiter steigen, während die
Hälfte der Bevölkerung das jährliche Absinken ihrer Löhne erfährt, selbst bei
steigender Arbeitszeit. Heute haben Millionen von ArbeiterInnen zwar einen
regulären Job, jedoch keine Krankenversicherung. Hunderttausende ArbeiterInnen
(und natürlich eine noch größere Zahl Arbeitslose) leben auf der Straße, in
Obdachlosenunterkünften oder in ihren Autos. (Die Lage ist so ernst, daß
kürzlich zwei Städte an der Westküste Programme auflegten nach denen Obdachlose
ihre Autos registrieren lassen können und auf ausgewiesenen Plätzen parken
dürfen ohne eine Verhaftung befürchten zu müssen.) Eine größere und rapid
wachsende Zahl Menschen ist von Suppenküchen und Essenausgaben durch Kirchen
oder andere Wohltätigkeitsorganisationen abhängig. Die Nachfrage übertrifft die
Vorräte bei weitem, so daß diese Gruppen beginnen, die zu verteilenden
Portionen zu rationieren. Millionen ArbeiterInnen und ihre Kinder stehen vor
der Wahl entweder zu hungern, die Miete nicht mehr zu zahlen oder im Abfall
nach Essen zu suchen.
Im Angesicht dieser Krise fällt den Kapitalisten nichts anderes ein als Krieg
zu führen, die Steuern zu senken (wobei gleichzeitig auch Einschnitte bei den
sozialen Diensten gemacht werden) und Angriffe auf Einwanderer, ob legale oder
illegale, zu starten, die einen immer wachsenden Anteil an der verwertbaren
Arbeitskraft ausmachen.
Migrantische ArbeiterInnen wehren sich gegen diese Angriffe. Sie mobilisieren;
sie fordern die Legalisierung ihres Status, grundlegende Arbeitsrechte und
andere Reformen. Am 1. Mai 2006 beteiligten sich ca. 2,5 Millionen
ArbeiterInnen an einem Generalstreik, der Teil einer ganzen Protestwelle war,
die im ganzen Land Millionen von Einwanderern und ihren UnterstützerInnen
mobilisieren konnte. Während dieser Proteste konnten einige der schlimmsten
Anti-Immigrations-Gesetze die noch unentschieden im Kongress schwebten, gekippt
werden. Die Regierung antwortete mit Verhaftungswellen und Ausweisungen, die
allerdings keinen Einfluß auf die Zahl der illegalen Einwanderer hatten,
sondern eher der Einschüchterung und Desorganisation der Betroffenen dienen
sollte.
Die amerikanische ArbeiterInnenbewegung bleibt währenddessen schwach und
zersplittert. Die Zahl der organisierten Mitglieder in der Privatwirtschaft ist
auf 8% gefallen und die Gewerkschaften sind in der Frage wie dem begegnet
werden solle tief zerstritten. (Die Gesamtzahl der Organisierten liegt bei etwa
12%, da die Organisierung in staatlichen Diensten wesentlich höher liegt.) Als
Folge dieser Auseinandersetzungen verließen einige Gewerkschaften den
Dachverband American Federation of Labor (AFL-CIO) und bildeten die
Change-to-Win-Koalition. Change-to-Win-Gewerkschaften geben mehr Geld für
Organizing aus, werden generell von der Spitze mehr kontrolliert und möchten
Allianzen mit den Bossen bilden, um durch Bildung "strategischer
Partnerschaften" ihre "Marktanteile" zu erhöhen, welche durch
gesteigerte Produktivität "mehr Werte schöpfen.". (Dies sind die
Worte, die solche Gewerkschaftsführer benutzen.)
Beide Gewerkschaftsverbände stehen der Demokratischen Partei nahe, welche
ursprünglich als Interessenvertretung der Sklavenhalter gegründet wurde und
sich heute als Verteidigerin der "Mittelschicht" sieht. Dieser Partei
schieben sie jährlich hunderte Millionen Dollar unter anderem aus
Mitgliedsbeiträgen der ArbeiterInnen in den Rachen. (Gewerkschaften spenden
gleichfalls Geld für Kandidaten der mehr konservativen Republikanischen
Partei.)
In diesem Kontext tritt eine steigende Anzahl von ArbeiterInnen der einzigen
revolutionären Gewerkschaft in den Vereinigten Staaten bei, den Industrial
Workers of the World (welche außerdem in Australien, auf den Britischen Inseln
und Kanada aktiv sind, und auch über einige Mitglieder in Deutschland
verfügen.)
Die IWW sind weiterhin klein, mit ungefähr 1200 Mitgliedern. Aber diese Zahl
zeigt eine klare Steigerung zu den 400 Mitgliedern in 1990er Jahren. Und
selbstverständlich, da wo die IWW aktiv sind, können sie sich auf die
Unterstützung von ArbeiterInnen verlassen, die keine Mitglieder sind, aber
immer wieder an Arbeitskämpfen teilnehmen.
Die IWW waren aktiv an den oben erwähnten Kämpfen der eingewanderten
ArbeiterInnen beteiligt. Sie drängten auf eine Orientierung am Mittel der
direkten Aktion und unterstützten ArbeiterInnen, die Vergeltungsmaßnahmen der
Unternehmer erlitten. Die IWW sind ebenso in der Organisierung von
migrantischen ArbeiterInnen aktiv, besonders in New York City und im nördlichen
Kalifornien. Die IWW sind in einigen dutzend Unternehmen als Gewerkschaft
anerkannt und sind in vielen anderen auch ohne dies auf den Fluren der Betriebe
präsent und aktiv. Besonders aktiv versuchen die IWW eine Organisierung im
Niedriglohnsektor und dort in den Bereichen Nahrungsmittel, Transport und
Einzelhandel durchzusetzen. In den letzten Jahren experimentierten sie mit
direct-action-Strategien, um den Einfluß der IWW in Unternehmen zu erhöhen, in
denen Mitglieder organisiert sind, jedoch keine legalen Rechte besitzen.
Wir verstehen, daß die IWA/AIT etwas diskutiert, das der letzte Bericht des
Sekretariates die "IWW-Frage" nennt. Wir sind bekümmert, daß diese
Diskussion möglicherweise ein unzureichendes Verständnis der aktuellen
Bedingungen in den Vereinigten Staaten reflektiert, besonders da sie sich auf
irre führende Dokumente stützt, die vom so genannten Syndicalist Action Network
(SAN) übermittelt wurden. Einer Organisation, die keine aktuelle Präsenz in der
US-amerikanischen anarchosyndikalistischen Bewegung hat.
Wir sind beispielsweise im Besitz eines Berichtes vom 30. August 2006 in
welchem das SAN andeutet, die IWW ließen Unternehmer die Mitgliedsbeiträge der
ArbeiterInnen über die Auszahlung der Löhne einsammeln. (Eine Praxis, die in
den Vereinigten Staaten als due check-off bekannt ist, und von den großen
Gewerkschaften angewendet wird.) Diese Vorgehensweise ist in den IWW-Statuten
seit wenigstens 50 Jahren verboten (Wir glauben nicht, daß es jemals erlaubt
war.), und wird im IWW-Grundsatzprogramm (the One Big Union Pamphlet), daß an
alle Mitglieder verteilt wird und auch auf der IWW-Webseite erhältlich ist,
angeprangert. (http://www.iww.org/culture/official/)
Das One Big Union Pamphlet spricht in einiger Länge von den Gefahren des due
check-off. Es merkt an, daß es die Unternehmer faktisch zu den Schatzmeistern
der Gewerkschaften macht, den Kontakt zu den Mitgliedern schwächt und die
Gewerkschaften weniger in die Verantwortung für die Bedürfnisse ihrer
Mitglieder nimmt. Stattdessen verlangen die IWW eine regelmäßige, monatliche
Bezahlung der Beiträge, die durch gewählte Delegierte eingesammelt werden,
welche wiederum monatlich an ihre Gewerkschaftszweige oder das General
Membership (??) berichten. Wir können nicht sagen, ob das SAN die IWW-Politik
durch Ignoranz in diesem und anderen Punkten falsch darstellt (obwohl die
Fakten vorhanden sind und abgerufen werden können) oder aufgrund eines
böswilligen Versuches die Verbindungen zwischen IWA/AIT und IWW zu zerstören.
Gleichfalls spricht das SAN von der Bezahlung von
Vollzeit-Gewerkschaftsvertretern, obwohl die IWW einen einzigen
Vollzeit-Offiziellen haben (ihren Generalsekretär-Schatzmeister, der mit den
administrativen Arbeiten der Gewerkschaft beschäftigt ist.), der einen Lohn
unterhalb des nationalen Durchschnitts gezahlt bekommt.
Desweiteren wird erzählt, daß die IWW Beiträge und andere Einkommensquellen
miteinander vermischt (die IWW beziehen einen signifikanten Teil ihrer
Einnahmen aus dem Verkauf von Gewerkschaftsliteratur und aus freiwilligen Beiträgen
für Organizing und andere Kampagnen.) und das SAN merkt zusätzlich an, daß die
IWW an Wahlen des National Labor Relation Board (NRLB) und anderen Prozeduren
des NRLB teilnehmen, sowie Berichte beim US-Arbeitsministerium hinterlassen.
Die IWW verschicken den LM3-Bericht seit 1973 an das US-Arbeitsministerium. Das
Ausfüllen dieses Formulars, welches grundständige finanzielle Informationen und
eine Liste der Gewerkschaftsoffiziellen und ihre Entschädigung enthält, ist
rechtlich gefordert. Und die IWW begannen erst damit als ihnen nach mehreren
Aufforderungen mit landesweiter Verfolgung gedroht wurde. Dieses Formular
offenbart weit weniger Informationen als die monatlichen Berichte an die
Mitglieder. (Eine Liste der Offiziellen wird beispielsweise jeden Monat in der
IWW-Zeitung veröffentlicht und der Finanzreport ist Teil jeder Ausgabe des
internen Gewerkschaftsbulletins.)
Die IWW haben an den NRLB-Wahlen spätestens seit 1972 teilgenommen und taten
dies bereits nach dessen Gründung in den 1930er Jahren bis in die 1950er Jahre
hinein, als die Regierung die IWW von den Wahlen ausschloß, weil diese sich
weigerten (und heute noch weigern) eidesstattliche Erklärungen zu
unterzeichnen, in denen sie bekundeten, daß ihre Offiziellen keinen
"subversiven" Organisationen angehörten sowie daß die
Gewerkschaft nicht an verbotenen solidarischen Aktionen teilnehmen würden, wie
zB die Übernahme von durch Streik liegen bleibende Arbeiten. (refusing to
handle struck work.)
Die IWW-Mitglieder entschieden in einem Referendum diese Erklärungen nicht zu
unterzeichnen, als diese ihnen auferlegt werden sollten und wurden dafür mit
der Aberkennung ihrer gewerkschaftlichen Rechte für die nächsten zwanzig Jahre
bestraft. Die IWW haben diese Erklärungen nie unterzeichnet und erhielten ihre
Rechte erst zurück als die Gerichte die Dokumente für verfassungswidrig
erklärten. (Strenge Einschränkungen für Solidaritätsaktionen stehen immer noch
im Gesetz, allerdings wird von Gewerkschaften nicht länger erwartet zu geloben
sich nicht daran u beteiligen. Die IWW-Statuten verbieten den einzelnen
Branchen irgendeine Arbeit anzunehmen bzw. zu tun, die einem anderen
Gewerkschaftsstreik schaden würde.)
In dieser Periode verringerte sich die Mitgliederzahl der IWW.
In den frühen 1960er Jahren fand sich keine funktionierende IWW-Branche in ganz
Nordamerika und die Zahl der Mitglieder war auf unter hundert meist in Rente
gegangene ArbeiterInnen gesunken. Obwohl sie einen hohen Preis zahlen mußten,
lehnten die IWW eine Bloßstellung ihrer Prinzipien ab, was der Regierung
erlaubt hätte ihnen zu diktieren, wer ihre Offiziellen sein könnten oder welche
Solidaritätsaktionen die Gewerkschaft ergreifen könnte.
Der SAN-Bericht bezieht sich auch auf Betriebswahlen (representation
elections), ohne zu erklären, was sie sind bzw. in welchem Zusammenhang sie
auftreten. Die Vereinigten Staaten und Kanada haben Arbeitsgesetzregelungen,
die sich radikal von denen in Europa üblichen unterscheiden. Im US-Gesetz sind
ArbeiterInnen "Arbeitnehmer durch Willen" (employees at will), was
bedeutet, daß ein Unternehmer sie aus jedem Grund entlassen kann, so lange die
Entlassung nicht besondere Rechte verletzt werden. (Es ist ungesetzlich
ArbeiterInnen aufgrund von Alter, Geschlecht oder Rasse zu diskriminieren. Es
müssen angemessene Bedingungen für behinderte Personen eingerichtet sein. Es
ist ungesetzlich gegen ArbeiterInnen vorzugehen, die gewerkschaftlich aktiv
sind oder gegen fehlende Arbeitsschutzmaßnahmen protestieren, wobei die Last
der Beweisführung in solchen Fällen bei den ArbeiterInnen liegt.) In den
letzten Jahren haben die Gerichte das Recht der Unternehmer ArbeiterInnen
aufrechterhalten, wenn diese in Fernsehtalkshows die US-Außenpolitik ablehnten,
einem politischen Kandidaten eine kritische Frage stellten, es ablehnten
Überstunden zu machen (In einem Fall wurde einer Arbeiterin gekündigt, weil sie
am Ende ihrer Schicht nach Hause ging, um ihre Kinder nicht unbeaufsichtigt zu
lassen.), wenn sie gegen ungesetzliches Verhalten ihrer Vorgesetzten Einspruch
erhoben, wenn sie die Moral der Beschäftigten untergruben etc.
Die einzigen ArbeiterInnen die legal vor solch willkürlich handelnden
Unternehmern geschützt sind, sind jene, die unter dem Schutz von
Gewerkschaftsabkommen stehen, allgemein Verträge genannt, bzw. in geringerem
Maße, wenn die Beschäftigungspolitik (Arbeitsrechte, Arbeitsschutz usw.) von
den Unternehmen freiwillig übernommen wird.
Betriebliche Mitbestimmungsstrukturen bzw. Repräsentationsstrukturen wie es sie
in Europa gibt, existieren in Amerika nicht. Ein paar Unternehmer schufen
ArbeiterInnen"partizipations"programme in denen sie
"VertreterInnen", die entweder ernannt oder gewählt wurden, einladen
sich mit ihnen zu treffen und die Unternehmenspolitik zu diskutieren. Solche
Programme stehen unter der totalen Kontrolle der Unternehmer und können zu
jeder Zeit abgebrochen werden. Die IWW nehme an diesen Programmen nicht
teil und es gibt auch relativ wenige ArbeiterInnen, die davon betroffen sind.
Da es per Gesetz technisch illegal ist, Gewerkschaftsmitglieder und ihre
UnterstützerInnen zu diskriminieren, schuf der National Labor Relations Act ein
System exklusiver Repräsentation, in welchem einer Gewerkschaft erlaubt wird
jede einzelne Gruppe von ArbeiterInnen in einem Betrieb zu vertreten. Wo ein solcher
"exklusiver Handelsagent" ("exclusive bargaining agent")
auftaucht, entweder durch eine NRLB-Wahl oder "freiwillig" durch den
Unternehmer ---- (Typischerweise als Resultat eines Abkommens zwischen
Gewerkschaften und Unternehmer, in dem sich die Gewerkschaften verpflichten den
Unternehmer nicht zu kritisieren im Austausch für den freien Zugang zu den
ArbeiterInnen und der Anerkennung als Gewerkschaft, wenn sie die mehrheitliche
Unterstützung der Belegschaft vorweisen können.)---- ist es ungesetzlich, wenn
der Unternehmer auch noch mit anderen Gewerkschaften verhandelt oder selbst mit
einem ArbeiterInnenkomitee aus dem Betrieb, das sich mit Löhnen, Lohnzuschlägen
oder Arbeitsbedingungen befaßt. Unternehmer bewegen sich ebenso wenig im
gesetzlichen Rahmen, wenn sie mit Gewerkschaften oder ArbeiterInnenkomitees
verhandeln, die offiziell nicht anerkannt sind.
Die einzige rechtsgültige Möglichkeit für ArbeiterInnen, die wegen ihrer
gewerkschaftlichen Aktivitäten entlassen wurden, -- und Menschenrechtsorganisationen
sagen, daß tausende amerikanische ArbeiterInnen jährlich dieses Schicksal
erleiden -- ist, eine Beschwerde beim NRLB einzulegen. (sog. Unfair Labor
Practice complaint)
Die Behörde lehnt die Anhörung der Mehrzahl dieser Beschwerden ab, und das höchste
was sie tun könnte ist es, die Wiedereinstellung der betreffenden Person und
die rückwirkende Auszahlung der Löhne seit der Entlassung anzuordnen.
(Reduziert um seit dem erzielte Einkünfte.) Die Behörde braucht gewöhnlich
sechs bis acht Monate, um einen Fall anzuhören, und es nicht unüblich, daß
durch Einsprüche von Seiten der Unternehmer die Zeit zwischen Entlassung und
Wiedereinstellung auf einige Jahre gestreckt wird. (In den wenigen Fällen, wo
eine Wiedereinstellung angeordnet wird.) Erst vor wenigen Monaten wurde eine
Gruppe illegal gefeuerter ZeitungsarbeiterInnen (newspaper workers) mehr als
zehn Jahren nach ihrer Entlassung wieder eingestellt. Eine Person war in der
Zwischenzeit verstorben.
Der National Labor Relations Act errichtet schwer zu überwindende Hindernisse
für ArbeiterInnen, die versuchen sich zu organisieren. Um die Anerkennung zu
erhalten, muß eine Gewerkschaft beweisen, daß sie die Unterstützung der
Mehrheit der Belegschaft hat.
Das NRLB macht dies nicht an der Zahl der Mitglieder fest, sondern durch das
Abhalten einer geheimen Wahl einige Wochen (oder manchmal Monate) nach dem
Antrag durch die Gewerkschaft. Während der Vorbereitung auf diese Wahlen,
entlassen Unternehmer UnterstützerInnen, bestechen ArbeiterInnen damit sie mit
der Gewerkschaft brechen, drohen mit dem Herunterfahren von Betriebsteilen,
wenn die Gewerkschaft gewinnen sollte und tun allgemein alles, um
GewerkschaftsunterstützerInnen zu bedrohen und einzuschüchtern. Viele dieser
Taktiken sind illegal, doch es gibt keine effektiven gesetzlichen Maßnahmen um
die Arbeitsgesetze gegen die Unternehmer durchzusetzen und die
ArbeiterInnenbewegung ist so schwach, daß sie höchst selten überhaupt zu
Aktionen in der Industrie kommt. Das Ergebnis ist, daß die Gewerkschaften, obwohl
sie fast nie mit weniger als zwei Dritteln der ArbeiterInnen im Betrieb als
Unterstützung im Rücken den Antrag auf Anerkennung stellen,
die Wahlen zur Repräsentation der Mehrheit verlieren. Wenn die Gewerkschaft
verliert, darf sie erst binnen Jahresfrist einen neuen Antrag einreichen, und
der Unternehmer steht nicht in der Pflicht sich mit ArbeiterInnen zu treffen
und über irgendwelche gewerkschaftlichen Rechte zu diskutieren. (Eine
Gewerkschaft, die eine solche Wahl gewinnt, erhält einfach das Recht mit dem
Unternehmer zu verhandeln, der wiederum nicht in der Pflicht steht bei
irgendetwas zu zustimmen -- in vielen Fällen gewinnen Gewerkschaften außer der
offiziellen Anerkennung nichts weiter, auch kein Abkommen mit dem Unternehmer.)
Das bedeutet also, daß bei einer Repräsentationswahl (union representative
election) keine GewerkschaftsvertreterInnen gewählt werden. Es ist eher ein
Votum über die Frage, ob ein Unternehmer eine Gewerkschaft anerkennen und mit
ihr verhandeln muß, welche unter der vollen Kontrolle ihrer VertreterInnen
steht. Obwohl die IWW sich diesem System bei seiner Einführung widersetzten,
argumentierend, daß dies ein bürokratisches Regime sei, das die Macht der
Gewerkschaft am Arbeitsplatz untergräbt und die Möglichkeit der ArbeiterInnen
der Gewerkschaft ihrer Wahl beizutreten, funktioniert es doch anders als
Repräsentationsstrukturen in Europa -- einerseits schränkt es die Reichweite
für Aktivitäten für Gewerkschaften, die keine mehrheitliche Unterstützung
vorweisen können, drastisch ein. Andererseits beläßt es Gewerkschaften in der
vollen Kontrolle derer, die sie repräsentiert, inklusive dem Recht sie
auszutauschen und zu mandatieren wie es die Gewerkschaftsmitglieder für richtig
halten.
In diesem System hat eine Gewerkschaft, die weniger als die Hälfte der
ArbeiterInnen eines Betriebes bei sich aufnimmt keine Rechte, außer dem Recht,
daß ihre Mitglieder nicht wegen ihrer Aktivitäten entlassen oder belangt werden
dürfen. Aber dieses Recht wird kaum effektiv eingefordert. Ohne offizielle
Anerkennung kann ein Unternehmer sofort SchlüsselaktivistInnen einer
Gewerkschaft feuern und dadurch die Präsenz einer Gewerkschaft im Betrieb
zerstören. Die IWW experimentieren aktiv mit Strategien, wie sich
gewerkschaftliche Macht auch in Betrieben ausüben läßt, in denen sie keine
offizielle Anerkennung erhalten konnten, und Mitglieder unseres
Redaktionskollektivs sind UnterstützerInnen dieses Prozesses. Eine Ablehnung in
die NRLB-Struktur involviert zu sein, würde jedoch bedeuten, ihre
UnterstützerInnen ohne gesetzlichen Schutz gegen Entlassungen und andere
Verfolgungen zu lassen.
Wir glauben nicht, daß eine Verletzung von Gewerkschaftsprinzipien durch die
Verteidigung von ArbeiterInnen in den zur Verfügung stehenden, begrenzten
Kanälen entsteht, während sie daran arbeiten die Macht der ArbeiterInnenklasse
zu vergrößern, die gebraucht wird, um Unternehmern effektiv entgegen zu treten
und ihre Kontrolle über die Betriebe zu beenden.
Zuletzt möchten wir anmerken, daß im Bericht des AIT/IWA-Sekretariates "der
enge Kontakt der IWW mit parallelistischen Organisationen" erwähnt wird.
Die IWW sind dem Kontakt und Aufbau von funktionierenden Verbindungen mit
militanten Gewerkschaften auf der ganzen Welt verpflichtet. Einige davon sind
Mitglieder der IWA/AIT und viele sind es nicht. Die im Moment vielleicht am
besten entwickelte IWW-Solidaritätskampagne, ist eine, in der die IWW die
National Garment Workers Federation in Bangladesh beim Aufbau eines Streikfonds
unterstützen und in ihren Anstrengungen ihre Arbeitsbedingungen zu verbessern
und internationale Textilfirmen daran zu hindern ihre Produktion an billigere
und fügsamere Orte zu verlagern.
Die IWW sind nicht Mitglied irgendeiner externen internationalen Organisation,
und haben niemanden autorisiert in ihrem Namen Statements zu verfassen, die
ihre Unabhängigkeit in Frage stellen könnten. Wir vermerken den Bericht des
Sekretariates über das International Anarchosyndicalist Network, aber glauben
nicht, daß eine solche Organisation existiert. (Wir denken, daß dies eher das
Resultat eines überenthusiastischen Protokollanten oder eines nachlässigen
Übersetzers ist.)
Die IWW ganz sicher nicht Mitglieder einer solchen Verbindung und haben auch
nie darüber diskutiert welche zu sein. Außerdem finden wir keine Erwähnung
dieser angenommenen Internationale auf den Webseiten und in den
Veröffentlichungen jener Organisation, aus denen sie bestehen soll. Die IWW
haben lange Beziehungen zur SAC, aber haben ebenso an der Stärkung der
Verbindungen zu Gewerkschaften und anderen Gruppen in AIT/IWA gearbeitet.
Dieses Jahr zum Beispiel schickten sie Solidaritätsadressen an die streikenden
CNT-ArbeiterInnen von Mercadona und brachten ihren Kampf über die Seiten des
"Industrial Worker" an die Öffentlichkeit. Als die Gruppen, die letztlich
die spanische CGT bildeten, sich von der CNT spalteten, lehnten die IWW eine
Kontaktaufnahme ab, bis sie aufhörten sich selbst fälschlicherweise als CNT
darzustellen.
Die International Solidarity Commission der IWW wurde beauftragt einen
Informationsaustausch und Solidarität mit Gewerkschaften der ganzen Welt zu
entwickeln, in der Hoffnung ein tieferes Verständnis für die Situation und die
Kämpfe der ArbeiterInnen weltweit zu erhalten und das Band der internationalen
Solidarität am Leben zu halten, das alle ArbeiterInnen verbinden sollte, egal
welcher Institution sie angehören. Im Moment konzentrieren die IWW ihre
internationalen Anstrengungen auf die Knüpfung engerer Kontakte zu
Gewerkschaften in Lateinamerika und Gewerkschaften, die ArbeiterInnen repräsentieren,
welche im globalen Textilmarkt tätig sind. Dennoch fühlen sie sich der
Schaffung engerer Beziehungen zur AIT/IWA verpflichtet und hoffen, daß sich
Kampagnen entwickeln, die auf sehr praktischen Wegen die Möglichkeiten
internationaler direkter Aktionen in der Konfrontation mit der globalen Macht
der Bosse aufzeigen.
Bitte nehmt unsere besten Wünsche für einen erfolgreichen Kongress. Wir freuen
uns von den Kongressentscheidungen zu hören und über den andauernden
Fortschritt unserer Bewegung, in der wir für die Schaffung einer Gesellschaft
ohne Ausbeutung und Herrschaft kämpfen.
In Solidarität,
ASR-Kollektiv
www.syndicalist.org
syndicalist@iww.org
(Übersetzung: Y. - FAU Dresden)
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