Zum Mord an Lámbros Foúndas (Gr.)
von taxikipali,
Für alle Interessierten übersetze ich hier ein
Kommuniqué des Anarchistischen Archivs, einer der ältesten,
volkstümlichsten (verankersten) und bekanntesten anarchistischen
Gruppen Griechenlands zu Lambros Foundas. Ich denke, es stellt einen
interessanten und höchst kontroversen öffentlichen Nachruf über diesen
Menschen dar. Ich identifiziere mich nicht mit dem folgenden Text und
werde versuchen, jede öffentliche Resonanz von anderen anarchistischen
oder revolutionären Gruppen als Dokumentation über die
Auseinandersetzung über diese Angelegenheit zur Verfügung zu stellen:
Der
Kampf von uns allen - den wir gegen jede Form von Herrschaft führen -
indem wir „bestrebt“ danach sind, nicht einen einzigen Moment zu
verpassen und die stur an dem Glauben festhalten, daß wir nicht unfähig
dazu sind, eine freie und herrschaftsfreie Welt aufzubauen, ist soweit
entfernt von jedweder Form der Mythologie, wie die Erde vom Mond.
Dieser
Kampf beinhaltet zahllose Tote und Geiseln, aber auch Leute, die
aufgeben, da sie ihre Hoffnungen verlieren oder indem sie sich
anpassen, weil die Herrschaft einen „kleinen“ oder „großen“ Preis
gestiftet hat, um sie weg zukaufen. Alle diejenigen, die deswegen nach
Heiligengeschichtchen suchen, nach Märtyrern oder Erlösern, nach Helden
oder „heiligen Monstern“ lechzen, sind keinen Deut besser, als
diejenigen, die nicht die geringste Gelegenheit versäumen, mit ihren
Fingern auf die „Abenteurer“, die „verirrten Schafe“, die „verdächtigen
Abweichler“ und die politisch „für immer Verlorenen“ zu zeigen. Beide,
die von den ersteren glorifizierten „übersinnlichen Wesen“ und die
„Extremisten“, von denen sich die letzteren distanzieren, sind
Wegwerfware. In beiden Fällen ist das Ergebnis Vergesslichkeit, auch
wenn jeweils das Gegenteil gepredigt wird. Das „verzückte“ Tratschen
der einen über die „Aufopferungsvollen“, während die anderen die Größe
des „Schadens“ mit politischer Frömmigkeit demarkieren Es ist
gleichermaßen unbedeutend, ob das Ineinanderlaufen beider Fälle durch
Fanatismus oder Illusion, Naivität oder Zielbewußtsein erreicht wird
oder aus Gründen des politischen Überlebens und Projektion oder aus
dogmatischen Wahrnehmungen.
Die sich befehdenden Stimmen krakeelen
mit der Absicht zu beweisen, daß sie Feinde sind, aber ihre Schliche
hat sich (nur) mit großer Not verborgen.
So sei es. Das
„Schauspiel“ ist traurig und tausendmal ein geübt, aber Altbewährtes
vermittelt immer „Gewissheit/ Sicherhheit“. Immer? Oder vielleicht
nicht? Die Worte unten und alle darüber sind nicht das Produkt von
Verpflichtung oder Schuldigkeit. Noch sind sie Bestandteil eines
politischen Nachrufs. Sie sind weit entfernt von und feindselig
gegenüber jedem Versuch der Mythologisierung, Vereinnahmung,
Intervention oder Distanzierung, sie sind gegen den Schmutz und die
Entwertung, die die Herrschaft versucht mit der Veröffentlichung des
Namens und des Fotos eines toten „Terroristen“, nach einer
Auseinandersetzung mit Bullen in Dafni, zu dirigieren.
Lambros
Foundas, der in Dafni bei einem Schußwechsel mit der Besatzung eines
Streifenwagens gefallen ist, ist bekannt für seine anarchistische
Aktivität. Er beteiligte sich als Oberschullehrer in sozialen Praktiken
und etwas später in der Anarchistischen Gruppe Schwarzer Dorn, die das
Journal Strassen Des Zorns heraus gab. Er war aktiv auf Protestmärschen
und Demonstrationen, in sozialen Konflkten, mit Plakatieren, in
Gesprächen und Ereignissen. Er war einer der Tausenden von jungen
Leuten, die in jener Zeit keiner einzigen Parteijugend beitraten,
welche sich an den Besetzungen und in den Kämpfen der Schüler nach der
Ermordung des Lehrers Nikos Temboneras in Patras beteiligten und die
von den aufständischen Ereignissen des Januars 1991, aber auch von
anarchistischen Anschauungen und Praktiken inspiriert waren, die sie
mit einer Lebendigkeit füllten, die Worte schlecht beschreiben können.
Die Anarchistische Gruppe Schwarzer Dorn beteiligte sich bis zu ihrer
Auflösung an der Zusammenarbeit Anarchistischer Gruppen und Individuen
Für Soziale Solidarität und Vielgestaltige Aktion. Während der
Besetzung des Polytechnikums in Athen 1995, welche am Jahrestag des
Aufstands von 1973 stattfand, war Lambros Foundas unter den 504, die
durch die repressiven Truppen des Staates festgenommen worden waren,
als diese am Morgen des 18. November in das Polytechnikum
einmarschierten. Auf diese Art war er unter den jungen Leuten seiner
„Generation“, die die politisch „Korrekten“ in aller Hast als
„verloren“ charakterisierten. Er war unter denjenigen Genossen, die
sich für eine Seite entschieden hatten und die Dekade der 90er Jahre
über in leidenschaftlicher Solidarität gegenüber jedem sozialen Sektor,
der entschied, sich der Herrschaft zu stellen, von Demonstration zu
Demonstration, von Barrikade zu Barrikade „wanderten“. Sie duldeten
jeder ihre Fehler und Rechte, ihre Unterschiede und ihre Beharrlichkeit
und entlarvten Lügner jeder Macht, die sie als „Mitläufer“ der sozialen
Kämpfe hinstellten. Natürlich gab es derartige Leute. Mit Lambros haben
wir uns seitdem so viele Male nah beieinander auf Demonstrationen, in
Kämpfen und in Barrikaden befunden.
So glauben wir unbeirrbar,
daß das, was die kämpfenden Menschen zurücklassen, WIRKLICH ALLES DAS
IST, WAS WIRKLICH UND NICHT VORDERGRÜNDIG zum Prozess der Befreiung von
den Fesseln der Unterdrückung und der Ausbeutung beiträgt. Dies ist ihr
Erbe, das über ihre persönlichen Bedürfnisse, Erkenntnisse und
Entscheidungen hinaus bleibt. Weil die Mittel nicht Ziel ihrer selbst
Willen sind, vereinzeln sie nicht, die, die kämpfen, sondern eröffnen
Möglichkeiten: Sie machen keine Heiligen aus denen, die diese oder jene
Form wählen, noch erhöhen sie sie und überhäufen sie mit Orden. Es gibt
keine allgemein und abstrakt ungerecht gefallene Genossen.Noch ist es
wichtig in diesem Fall nach Betriebsfehlern zu forschen. Gleich wie
auch immer die Logik ist, daß Auslegungen das Privileg einer
hierarchischen Sitzung der Eingeweihten oder erhabener interner
Angelegenheiten sind, sie nicht gut für uns. Noch kann unsere Antwort
denjenigen gegenüber, die Szenarien ersinnen, sein, daß „Verluste ein
notwendiges Übel“ sind. Unsere Position sollte klar und solide sein.
Wir
schliessen, indem wir Lambros einen Abschiedsgruß entbieten, mit dem
indischen Wunsch (und der Gewissheit): Das nächste Mal (wenn wir uns
treffen) wird es besser sein!
ANARCHIST ARCHIVE OF ATHENS
Zur
Zeit führen die bürgerlichen Nachrichten ihren Krieg des Schleims
weiter, während Anarchisten eine Kampagne gestartet haben, um den toten
Mann mit Plakaten zu ehren, auf denen steht „Lambros Foundas war einer
von uns!“; massenhaft in Athen angeklebt. Der Polizei zur Folge ist die
im Rucksack gefundene Handgranate von einem Fabrikat, was von keiner
einzigen Stadt Guerilla Gruppe in Griechenland benutzt wird. Somit ist
kein einziger Beweis erbracht, der nahe legt, daß der Mann Mitglied
irgendeiner Stadtguerilla war. Trotzdem stellen bürgerliche Medien ihn
„im Herzen des Revolutionären Kampfes“ bei der „Vorbereitung eines
unmittelbar bevorstehenden terroristischen Anschlags“ dar.
Ein
weiterer Text der online veröffentlicht wurde bzgl. der Erlegung von
Lambros Foundas, ist ein kurzer Brief aus dem Kerker von dem
Revolutionär Giorgos Voutsis Voyatzis, der Zeit im Gefängnis verbringt,
weil er für einen Banküberfall in Athen verurteilt wurde:
Der
Genosse Lambros Foundas war für uns alle ein echtes Beispiel des
Kampfes. Ein wahrer Revolutionär, ein eingeschworener Feind jede(r)(s)
apraxia (fehlender Praxis/ Slackertums). Anspruchslos, nüchtern,
bestimmt und entschieden. BIS ZUM ENDE CHEF SEINES EIGENEN LEBENS.
Obendrein machte er keine Verträge mit dem Leben, die er hätte
verletzen können.
Einen Vertrag mit dem Leben gehen diejenigen
ein, die sich von dikaiopraxia (Wahl/ Entscheidung zur Praxis)
verabschieden. Betrachtet diese nicht so großspurigen, aber
aufrichtigen Worte als ein letzten Abschied an einen Genossen und
Freiheitskämpfer.
Lasst Praxis/Aktionen sprechen... 11/03/2010
Original: Taxikipali, translated: iaourti iaourtaki
Quelle: http://libcom.org/news/anarchist-killed-greek-police-11032010
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