Relatives Recht - Berliner Praktikantin klagt vergeblich gegen ehemalige Arbeitgeberin
Dass diese medienwirksam aufbereiteten juristischen Erfolge wohl eher
die Ausnahme bleiben werden, musste nun die 23jährige Neuköllnerin
Agnes M. erfahren. Sie war ab Ende März 2008 in der Kita "Omas Garten"
in Berlin-Wedding angestellt. Wie so oft galt das Label “Praktikantin”
hier jedoch nur vordergründig: "Ich mußte regelmäßig eine Gruppe von 23
Kindern alleine betreuen und machte im Wesentlichen die gleichen
Arbeiten wie festangestellte Erzieherinnen", berichtet sie. Nachdem sie
sich mehrmals über diesen Zustand beschwert hatte und darum bat, so
eingesetzt zu werden, wie es einem Praktikum entspricht, oder aber
entsprechend bezahlt zu werden, wurde sie von der Leiterin der Kita
gekündigt. Dies wollte Agnes M. nicht auf sich sitzen lassen und zog
vor das Arbeitsgericht Berlin, um auf einen für Erzieherinnen üblichen
Branchenlohn zu klagen. Schließlich hatte sie auch die entsprechenden
Tätigkeiten auszuführen und Verantwortungen zu tragen.
Im Prozess zeigte sich jedoch, dass der Nachweis dessen nicht leicht zu
erbringen ist. Es obliegt nach deutschem Arbeitsrecht den
PraktikantInnen, den Beweis darüber zu erbringen, dass sie nicht
ordnungsgemäß eingesetzt wurden, sondern tragende Arbeitsleistungen im
Betrieb übernehmen mussten. "Unter diesen Voraussetzungen ist es
besonders für unausgebildete Menschen fast unmöglich, juristisch
nachzuweisen, dass ein Arbeits- und kein Lernverhältnis vorlag, wenn
seitens des Betriebes keine Fehler gemacht wurden, die diesen Beweis
ermöglichen. Das deutsche Arbeitsrecht benachteiligt hier ganz klar die
Menschen die sowieso schon am kürzesten Hebel sitzen", meint Robert
Ortmann von der Sektion Sozialwesen der Gewerkschaft Freie
ArbeiterInnen Union (FAU), die der Klägerin in dieser Angelegenheit
beratend zur Seite stand.
So auch in diesem Fall: Da Agnes M. nicht lückenlos nachweisen konnte,
dass sie das Aufgabenprofil einer ausgebildeten Erzieherin vollständig
abgedeckt habe, stünde ihr auch kein entsprechender Lohn zu,
argumentierte die Richterin, Andrea Baer. Dies wäre erst der Fall, wenn
die Klägerin mit allen diesbezüglichen Kompetenzen ausgestattet sei.
“Nach dieser Logik hätte Agnes M. nur einen angemessenen Lohn für ihre
Tätigkeiten erhalten können, wenn sie auch offiziell den Rang einer
Erzieherin gehabt hätte – ein absurder Formalismus”, kommentiert
Ortmann den Ausgang des Prozesses. Letztlich bekam die Klägerin in
einem Vergleich lediglich 800 Euro zugesprochen, die als
Praktikumsvergütung für die letzten zwei Monate der Tätigkeit ohnehin
noch ausstanden. Agnes M. zeigt sich ernüchtert und kämpferisch
zugleich: “Der Prozess hat mir ganz klar gezeigt, dass Praktikantinnen
sich nicht darauf verlassen sollten, ihr Recht vor deutschen
Arbeitsgerichten zu bekommen. Dieses bekommen wir wohl nur, wenn wir
uns gewerkschaftlich organisieren und kämpfen.” Der FAU ist sie
zwischenzeitlich beigetreten.
Sektion Sozialwesen in der FAU Berlin
Kontakt:
faub-soziales(a)fau.org
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