PM FAU-IAA: Koalitionsfreiheit stärken - Streikrecht ist Menschenrecht
Ein Jahr lang hatten Unternehmer- und DGB-Verbände einmütig für eine
gesetzliche Einschränkung des Streikrechts abhängig Beschäftigter und
kleiner Gewerkschaften zugunsten der großen „Mehrheitsgewerkschaften“
geworben. Bereits vor der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG)
vom 23. Juni 2010, die vom Grundgesetz per Koalitionsfreiheit gebotene
Tarifpluralität in den Betrieben tatsächlich anzuerkennen, hatten BDA
und DGB eine gesetzliche Regelung verlangt: An die tarifliche
„Friedenspflicht“ sollten nicht nur die vertragsschließende, sondern
auch alle anderen Gewerkschaften gebunden sein. Der Vorstoß zielte
vornehmlich auf die Berufs- und Spartengewerkschaften (Cockpit, GdL,
Marburger Bund, UFO), hätte aber auch die Branchengewerkschaften der
FAU getroffen.
Diese Forderungen wurden von einem breiten Kreis von renommierten
Arbeitsrechtlern und Mitgliedern verschiedener Gewerkschaften
kritisiert und abgelehnt. Das politische Spektrum reichte hier von
Konservativen über Linksliberale bis hin zu Revolutionären. Auch wenn
die Debatte im Wesentlichen mittels Rechtsgutachten auf Fachebene
geführt wurde und die Bundesregierung bis heute ihre konkreten Pläne
nicht offengelegt hat: Im Frühjahr 2011 befürwortete eine Mehrheit der
Bevölkerung (56%) die Möglichkeit mehrerer Tarifverträge in einem
Betrieb – drei Viertel der Befragten sprachen sich außerdem für ein
weniger restriktives Streikrecht aus.
Bereits Anfang 2010 hatte die Basisgewerkschaft FAU den angekündigten
Paradigmenwechsel des Bundesarbeitsgerichts begrüßt. Dementsprechend
früh wandte sich die anarchosyndikalistische Gewerkschaft unter dem
Motto „Finger weg vom Streikrecht!“ gegen die Arbeitsfront der
Spitzenverbände. Von Anfang an hat die FAU versucht, eine gemeinsame
Initiative der betroffenen Gewerkschaften außerhalb des DGB mit
kritischen und oppositionellen Kräften innerhalb der DGB-Organisationen
zu verbinden. Dieses Bündnis kam schließlich im Frühjahr 2011 zustande.
Die gemeinsame Initiative „Hände weg vom Streikrecht“ verdeutlicht
bereits im Namen, dass es nicht nur um die Tarifvielfalt geht, sondern
um das unveräußerliche Recht der Beschäftigten, für ihre Belange aktiv
zu werden und auch zu kämpfen. Eine bundesweite Tagung zu dem Thema
wird am 10. September in Kassel stattfinden.
In ihrer Ablehnung einer gesetzlichen Verschärfung des Tarif- und
mithin des Streikrechts, vertrat die FAU zudem ein anderes, ein
kämpferisches Verständnis gewerkschaftlichen Vorgehens: Ein
Einvernehmen zwischen Beschäftigten und Unternehmen ist immer nur
kurzfristiger Natur und lässt sich auf konkrete Kräfteverhältnisse
zurückführen. Um das Mögliche zu erreichen, muss eine Gewerkschaft
daher kämpferisch und unversöhnlich die Interessen der abhängig
Beschäftigten durchboxen.
Das Auseinanderfallen der DGB/BDA-Initiative ist nur ein Etappensieg.
Interessierte Kreise aus Politik und Wirtschaft diskutieren weiter
Mittel und Wege, das Streikrecht einzuschränken – etwa durch
obligatorische Schlichtungsverfahren. Auch die Vorstände von IG Metall
und IG BCE halten die Initiative für „Tarifeinheit“ weiterhin für
richtig und werden versuchen, sie durchzusetzen.
Die FAU erwartet also weitere Angriffe und das, obwohl Deutschland in
Bezug auf Gewerkschaftsfreiheit schon jetzt ein Entwicklungsland ist,
in dem den Beschäftigten elementare Rechte, die u.a. in den
ILO-Konventionen 87 und 98 und der europäischen Sozialcharta definiert
sind, vorenthalten werden.
Im Zuge dieser Auseinandersetzungen wird sich die FAU verstärkt für das uneingeschränkte Streikrecht einsetzen.
Das Recht der Arbeitsverweigerung ist Teil der persönlichen
Selbstbestimmung und ist daher als ein grundsätzliches Menschenrecht
aufzufassen, auch wenn es effektiv nur kollektiv ausgeübt werden kann.
Ein solches uneingeschränktes Recht auf Streik kann daher nicht auf
wirtschaftliche oder tarifliche Auseinandersetzungen beschränkt sein,
sondern umfasst auch sogenannte „politische Streiks“. Darüber hinaus
zielt die FAU nicht nur auf die volle gewerkschaftliche Aktionsfreiheit
ab, sondern ebenso auf ein umfassendes und unantastbares Recht auf
Streik für alle abhängig Beschäftigten selbst, egal ob und wo sie
gewerkschaftlich organisiert sind oder auch nicht.
Die FAU wird deswegen auch in Zukunft jede Einschränkung des
Streikrechts bekämpfen und die Rechte und Würde der Lohnabhängigen
aktiv verteidigen.
Quelle: FAU-IAA
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