Libertärer Entrismus - wo ist die FAU (CH) geblieben?
Remo Hürlimann und Urban Hodel sind Menschen mit libertärem
Hintergrund, das wird schnell klar, wenn man mit ihnen redet. Begriffe
wie
«Basisdemokratie», «Reformismus », «Hierarchie» und «Anti-Kapitalismus
» gehen ihnen nicht über die Lippen. Gleichzeitig gehören die beiden
zum harten Kern der Unia-Jugend-AktivistInnen. Urban führt denn auch
aus, dass die Unia-Jugend nicht nur klassische Gewerkschaftspolitik
mache, «in Luzern beteiligten wir uns zum Beispiel an der Mobilisierung
gegen das WEF, führten eine Infoveranstaltung zu Palästina oder etwa
einen Literaturabend durch». Für solche Aktivitäten bietet die Unia
mit ihren personellen und finanziellen Mitteln einen idealen
Hintergrund. Die Unia wiederum kann sich mit ihrer aktiven
Jugendgruppe als aktivistische, basisnahe und kämpferische Gewerkschaft
präsentieren. So steht Jugendsekretär Jean-Christophe Schwaab
(SP-Grossrat im Kanton Waadt) den kämpferischen Jungen vorwiegend
positiv gegenüber: «Die Linke braucht interne Debatten über
politische Strategien und Inhalte. Diese Leute der Unia-Jugend, die für
eine gesellschaftliche Veränderung kämpfen, tun der Organisation gut.»
Basisgewerkschaft
Die Integration von Libertären in die grösste Schweizer Gewerkschaft wird allerdings nicht nur positiv gesehen.
So
hält etwa Mathias Stalder von der Freien ArbeiterInnen Union (FAU) die
Unia-AktivistInnen für naiv gegenüber dem Apparat: «Früher
oder
später wird es zu einem Konflikt kommen. Das ist immer so, wenn Leute
aus der radikalen Linken in eine reformistische Organisation eintreten.»
Ihm schwebt eher eine starke Basisgewerkschaft ausserhalb der
Grossgewerkschaften vor. «Wenn die aktiven Leute aus der Unia-Jugend
dabei wären, wäre eine solche Gruppe ziemlich schlagkräftig. Es braucht
nicht einen grossen Apparat, um einen kleineren oder mittleren Betrieb
lahmzulegen, aber es braucht eine Basis, die auch bereit dazu ist.» In
der Unia sei die Basis allerdings zu heterogen, um eine kämpferische
Gewerkschaft aufzubauen. Dem stimmt auch Remo zu, hält aber fest, dass
der Beitritt zur Unia erst ein Anfang sei. «Mein Ziel ist es, mitzuhelfen,
die Unia in die Richtung einer wirklichen Basisgewerkschaft zu
bringen.» Eine neue Gruppe aufzubauen, die über annähernd ähnliche Ressourcen und Potential wie die Unia verfüge, sei, wenn überhaupt möglich, eine Lebensaufgabe. Da erscheint es vielversprechender, sich einer bestehenden Gewerkschaft anzuschliessen und durch Aktionen neue Leute für eine Veränderung zu gewinnen, als sich mit jahrelanger struktureller Arbeit abzumühen.
«Unia braucht Veränderungen»
Zur
Neugründung der Unia-Jugendgruppen kam es, weil verschiedene politisch
aktive Leute einen neuen Ort für ihr Engagement suchten, führt Urban
aus: «Für mich war die radikale Linke mit ihren Kleinstgruppierungen,
die kaum ernstgenommen werden, keine Alternative. Die Unia bot als
Organisation, die zur ausserparlamentarischen Opposition gehört und
über ein grosses organisatorisches Potential verfügt, eine
Perspektive.» Es sei aber klar, dass die Unia Veränderung brauche: «Der
scheidende Präsident Vasco Pedrina hat die Unia als antikapitalistische
soziale Bewegung bezeichnet, davon ist sie aber noch weit entfernt. Sie
steht viel zu nahe bei der SP», hält Remo fest. Auch an Basisnähe
mangle es der Grossgewerkschaft, das erlebe man, wenn man in eine
Sprechstunde gehe.
Dies zu verändern ist allerdings für die
Unia-Jugend-AktivistInnen nicht einfach. Auch die erfolgreiche
Aktionszeitung koopera musste zuerst gegen internen Widerstand erkämpft
werden. Eine Veränderung von innen heraus hält Matthias für unmöglich:
«Sobald man in einer Organisation eingebunden ist, wird man vom Apparat
geschluckt. Bis die Leute, die angetreten sind, die Organisation zu
verändern, plötzlich selber im Kader.» Diese Gefahr sehen zwar auch
Urban und Remo, allerdings sei die Unia-Jugend eine sehr
selbstkritische Gruppe, für die ein solcher Prozess schwer vorzustellen
sei. Ironisch an der Geschichte bleibt, dass der Apparat, der von der
Unia-Jugend kritisiert wird, zu einem grossen Teil aus ehemaligen
SAPlerInnen besteht, die einst selbst in die Gewerkschaft eingetreten
sind, um diese von innen heraus zu verändern.
aus: antidot nr. 11 - www.antidot.ch - WOCHENZEITUNG AUS DER WIDERSTÄNDIGEN LINKEN
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