Interview RAWA: Für eine demokratische Volksfront in Afghanistan
Alternative Libertaire: Gibt es eine radikale Linke in Afghanistan?
Zoya:
Die lokale Bevölkerung hat große Angst aus mehreren Gründen: der Krieg
und die Besatzung haben ökonomisches, soziales und kulturelles Elend
verstärkt. Für Organisationen der radikalen Linken wie RAWA ist der
Kampf sehr schwer, da sie gegen eine Allianz von vier Gegnern kämpfen:
die Besatzungstruppen einer Koalition von 41 Ländern, die
Karzai-Regierung die mit den Besatzern zusammenarbeitet, die
Drogenbarone und die fundamentalistischen Taliban und Mudschahidin. Die
Widerstandsorganisationen befinden sich unter Druck von allen Seiten,
aber wir, als RAWA, werden niemals zustimmen, uns mit auch nur einem
dieser vier Gegner der Menschen von Afghanistan zu einigen.
AL: Was denkt ihr über die Karzai-Regierung?
Zoya:
Die Karzai-Regierung ist eine politische Allianz zwischen den
Besatzungsarmeen und den lokalen Fundamentalisten und Drogenbaronen
(welche oftmals dieselben Personen sind). Vom ersten Tag an hat diese
Regierung die afghanischen Menschen im Stich gelassen und sichert nun
stattdessen die Interessen der Besatzer, bewirbt Waffen- und
Drogenhandel, während sich Korruption im Herzen des politischen und
legalen Systems einnistet. Darüber hinaus setzt die Regierung Frauen
systematisch Gewalt aus [1]. Wir könnten ähnliche Dinge über das
Parlament und die Gerichte sagen.
AL: Wie seht ihr eure Bemühen in diesem Kontext?
Zoya:
Unsere Bemühen gelten zuerst und vor allem dem radikalen politischen
Widerstand gegen diese Allianz. Wir verurteilen den von der
Karzai-Regierung vorgeschlagenen Kompromiss, der die Taliban in die
Regierung zulassen würde: er würde keinen Frieden bringen. Wir
befürworten eine Form der politischen Selbstorganisation, die fähig
ist, den Willen des afghanischen Volkes auf eine gewaltlose Art und
Weise zu verkörpern. Wir kämpfen für die Errichtung einer
demokratischen Volksfront, welche demokratisch-antifundamentalistische
Menschen und Organisationen sowohl in Afghanistan als auch im Westen
zusammenbringen würde, um das afghanische Volk zu unterstützen. Es ist
sehr schwierig, aber gewiss nicht unmöglich!
AL: Erzähle uns über eure Taktiken und Aktionen...
Zoya:
Direktes politisches Handeln ist in Afghanistan sehr schwer zu
verwirklichen, da große Unterdrückung vorherrscht: die Gründerin von
RAWA, Meena, wurde 1987 ermordet. Das hält uns jedoch nicht davon ab,
unsere Botschaft in Flüchtlingslagern in Pakistan zu verbreiten, weil
Demonstrationen in Afghanistan verboten sind. Des Weiteren arbeiten wir
auf soziale Gerechtigkeit hin und haben Lese- und Schreibkurse, da wir
ebenso gegen Analphabetismus kämpfen - und wir betreiben Waisenhäuser.
Wir kämpfen für Demokratie durch Bildung und eben dies hilft auch, die
Menschen von Stigmata und Fatalismus zu befreien. Es sollte angemerkt
sein, dass die RAWA, anders als die meisten anderen humanitären und
politischen Organisationen, hauptsächlich in ländlichen Gebieten
arbeitet, wo der Einfluss von Fundamentalisten weitaus stärker ist als
in Kabul.
Das Interview wurde durchgeführt von David (AL Alsace) im Februar 2009
RAWA: RAWA
[1]
In der Zwischenzeit hatte die afghanische Regierung ein Gesetz
gebilligt, das es erlaubt, Frauen zu vergewaltigen, bevor es nach
internationalen Protesten wieder entfernt wurde.
Interview im Original (französisch): http://www.anarkismo.net/article/13694
Übersetzt auf Basis der englischen Übersetzung: http://www.anarkismo.net/article/13731
http://www.alternativelibertaire.org
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