In Landwirtschaft und Gartenbau am Niederrhein und im Münsterland geht
kaum etwas ohne ArbeiterInnen aus Polen. Tausende erledigen in Ernte
und Pflanzenaufzucht Arbeiten, die so schlecht entlohnt werden, dass
die Betriebe vor Ort kaum Leute finden. Doch selbst, wem es gelingt, in
den Gewächshäusern der Kreise Kleve und Borken zu diesen Bedingungen
einen Job zu finden, kann sich nicht immer darauf verlassen, dass der
Lohn auch pünktlich ausgezahlt wird. So geschehen beispielsweise im
konkreten Fall der Firma Grenzland Produktions und Handels GmbH mit
Sitz in Straelen am Niederrhein. ArbeiterInnen dieser Firma hatten sich
Anfang des Jahres mit Bitte um Unterstützung an an die FAU gewandt,
weil sie seit Monaten ihren Lohn nur teilweise und verspätet ausgezahlt
bekommen hatten. Es waren polnische ArbeiterInnen, die die Initiative
ergriffen hatten, nachdem sie erfahren hatten, dass erst im letzten
Jahr die FAU in Dortmund polnischen Kollegen bei einer
Lohnauseinandersetzung unterstützt hatten.
Die FAU Münsterland nahm in der Folge Kontakt zu den ArbeiterInnen bei
Grenzland auf, die in Rhede (Kreis Borken) arbeiten. Es stellte sich
schnell heraus, dass mehrere Dutzend deutsche und polnische KollegInnen
von Lohnrückständen – im Einzelfall mehr als 3.000 Euro – betroffen
sind.
Im Grenzland-Dickicht
Parallel begann eine umfangreiche Recherche zu den firmenrechtlichen
Hintergründen des Arbeitgebers. Die Firma Grenzland Produktions und
Handels GmbH ist eine seit Dezember 2009 bestehende GmbH mit zwei
Gesellschaftern, Matthias Steverding und Michaela Klein, beide
vorgeblich mit Wohnsitz in Duisburg. Beim eingetragenen Firmensitz in
Straelen nahe der niederländischen Grenze scheint es sich um eine
Briefkastenadresse zu handeln, von der aus nur die Post weitergeleitet
wird. Nach wenigen Monaten übernahm die Grenzland Anfang 2010 aus einer
Insolvenz die Firma Steva, die in Rhede eine Pflanzenaufzucht betreibt
und hierfür über Jahre mehr als 250.000 Euro öffentliche Fördergelder
erhalten hatte. Geschäftsführer der Steva Pflanzen und Technik GmbH war
Gerd Steverding, ein Verwandter von Matthias Steverding, dem
Gesellschafter der Grenzland Produktions- und Handels GmbH. Es blieb
also sozusagen alles in der Familie. Im Zuge der Recherche erhielt die
FAU die Information, dass die Besitzer der Firma Grenzland nicht nur
den Aufzuchtbetrieb in Rhede betreiben, sondern auch Pflanzenmärkte
unter dem Namen „Pflanzen-Teufel“ in Duisburg und Bocholt unterhalten
haben. Michaela Klein, die Geschäftsführerin von Grenzland lässt
außerdem auf dem Arenborgweg im niederländischen Venlo Pflanzen
anziehen. Auch dort waren polnische ArbeiterInnen eingesetzt. Als
Ergebnis dieser und weitergehender Recherchen ergab sich somit ein
schwer zu durchschauendes Dickicht aus Firmen, Insolvenzen, familiären
Verstrickungen, Briefkastenadressen, Telefon-, Fax- und
Postweiterleitungen. Und mittendrin mehrere Dutzend ArbeiterInnen, die
unter teilweise prekären Bedingungen auf ihre ausstehenden Löhne
warteten.
Ein Gestrüpp aus Minijobs und scheinbarer Selbständigkeit
Von den firmenrechtlichen Hintergründen hatten die ArbeiterInnen selbst
kaum etwas gewusst. Für sie spielen andere Dinge eine wichtigere Rolle.
Da ist zunächst einmal die unterschiedliche rechtliche Situation.
Während die Einheimischen meist auf Minijob- oder Teilzeit-Basis in den
Gewächshäusern arbeiten, sind die polnischen ArbeiterInnen überhaupt
nicht sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Stattdessen bekamen sie
einen Gewerbeschein und mussten ein Formular unterschreiben, um als
Kleinunternehmer von der Umsatzsteuer befreit zu sein. Was sie dort
unterschrieben, war ihnen aber mangels ausreichender Deutschkenntnisse
völlig unklar. Die Firma hat für die Arbeit Rechnungen ausgestellt, in
denen diese zu Stückpreisen abgerechnet wird. Auch ob sie eine
Krankenversicherung haben, wissen sie selber nicht genau.
Von einer Selbständigkeit kann allerdings keinerlei Rede sein, vielmehr
liegen sämtliche Merkmale vor, die eine Scheinselbständigkeit
charakterisieren. Das hat in der Branche durchaus Methode, weil es
sogar noch die Sozialversicherungs-, Renten- und Krankenkassenbeiträge
spart, die zuvor für polnische KontraktarbeiterInnen entrichtet werden
mussten. Gerichte haben Scheinselbständigkeit immer wieder attestiert
und Bosse wegen Hinterziehung von Steuern und
Sozialversicherungsbeiträgen zu Geldstrafen und Nachzahlungen
verurteilt.
In einem ist die Situation der einheimischen und der polnischen
ArbeiterInnen auf jeden Fall identisch: Fast alle sind von
Lohnrückständen betroffen. Alleine von sieben polnischen KollegInnen,
die in Rhede beschäftigt waren, liegen der FAU Dokumente über
Lohn-Außenstände in Höhe von etlichen tausend Euro vor. 21 deutsche
ArbeiterInnen haben mit einer Unterschriftenliste die Arbeitszeiten
ihrer polnischen KollegInnen bestätigt. Derzeit befinden sich noch vier
polnische KollegInnen in Rhede, von denen drei Ende Januar die Arbeit
niedergelegt haben. Ende Februar hatten auch die einheimischen
ArbeiterInnen ihre Januar-Löhne nicht erhalten. Auf die Drohung,
kollektiv die Brocken hinzuschmeißen, erhielten vier von ihnen dann
ihren Januar-Lohn ausgezahlt. Einige arbeiteten zunächst weiter, andere
wandten sich an das Arbeitsgericht. Die Situation der verbliebenen
polnischen KollegInnen wird derweil immer prekärer. Sie sitzen in dem
mehr oder weniger aufgegebenen Hotel und sind dort sich selbst
überlassen.

Die Grenzland Produktions und Handels GmbH muss endlich zahlen!
Nach mehreren Gesprächen mit den ArbeiterInnen, Sichtung der Dokumente
und Rücksprache mit Anwälten, hatte die FAU zunächst die Firma
Grenzland Produktions und Handels GmbH aufgefordert, unverzüglich die
ausstehenden Löhne auszuzahlen. Die Eigentümer haben jedoch keinerlei
Reaktion gezeigt, sieht man einmal davon ab, dass einer der Steverdings
wutentbrannt am Hotel auftauchte. Zur Sicherung der Ansprüche der
ArbeiterInnen hat die FAU daraufhin Mahnbescheide gegen die Firma auf
den Weg gebracht.
Wer nicht hören will...
Nachdem es auch auf die Mahnbescheide keine positive Reaktion von
Seiten der Grenzland Produktions und Handels GmbH gegenüber ihren
ArbeiterInnen gab, haben verschiedene FAU-Gewerkschaften der Region
gemeinsam mit Beschäftigten entschieden, die KundInnen über das
Geschäftsgebaren der Firma aufzuklären. Der Auftakt war die heutige
Kundeninformations-Aktion in Duisburg. Die Firma Pflanzen-Teufel in
Duisburg, die zumindest bis vor Kurzem selbst zu Grenzland gehörte, ist
mit der Straelener Firma personell eng verbunden. Weitere Aktionen in
Rhede, Duisburg und Venlo sind angedacht, mit verschiedenen Zeitungen
und anderen Medien haben Gespräche über Veröffentlichungen
stattgefunden. Es liegt einzig und alleine an der Firma Grenzland
Produktions und Handels GmbH, diesen Prozess dadurch zu stoppen, dass
sie den Forderungen der Beschäftigten in Rhede nachkommt, die
ausstehenden Löhne unverzüglich auszahlt und für die Zukunft eine
fristgerechte Lohnzahlung sicherstellt.
Vor einigen Jahren war bereits einmal ein landwirtschaftlicher Betrieb
im Münsterland, der sich weigerte, Lohnrückstände bei spanischen
Arbeitern zu begleichen, nach einer wochenlangen Welle von
Kundeninformations-Aktionen der FAU geschlossen worden, nachdem in der
Folge von Presseberichten über die dortigen Zustände, die Behörden
ausstehende Sozialabgaben und Steuern geltend gemacht hatten.
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