Das BAG-Urteil zur Tariffähigkeit in der Leiharbeit - eine Diskussion, die am Kern der Sache vorbeigeht.
Keine Frage: Den sog. christlichen sog. Gewerkschaften gehört das
Handwerk gelegt. Auch falls es nicht immer so ist, wie im berichteten
Fall, wo Frontal 21 behauptet, dass von 100 befragten Mitgliedern 96
angaben, nicht zu wissen, dass sie in einer christlichen Gewerkschaft
Mitglied waren. Die restlichen vier sahen sich dazu gezwungen
beizutreten, da ihnen das Formular von der Firma Artos bei der
Einstellung vorgelegt wurde. Es war auch in anderen Fällen - so beim
DRK-Blutspendedienst NRW - zu beobachten, dass die Chefs die
"Christlichen" aktiv im Betrieb zu etablieren zu versuchten, um die
Macht der Mehrheitsgewerkschaft in Tarifkonflikten zu minimieren. Dass
dies so passiert, könnte man auf den ersten Blick als Argument gegen
die richterlich eingeführte Tarifpluralität und für eine
Rechtsprechung, die kleinen Gewerkschaften die Tariffähigkeit
vorenthält, betrachten. Auf den zweiten Blick nicht.
Dass die CGZP "nur" einige tausend Mitglieder in der Leiharbeitsbranche
hat, wird in den Medien immer wieder prominent und als hinreichendes
Argument für eine Aberkennung der Tariffähigkeit angeführt. Gerade im
Fall der Leiharbeit ist das ziemlich unsinnig - und auch gar nicht das
zentrale Argument des Urteils. Grob gesagt wird die Tarifunfähigkeit
damit begründet, dass die Mitglieder der CGZP - drei christliche
Gewerkschaften - gar nicht alle Branchen organisieren, in die die
Tarifverträge der CGZP hineinwirken.
Das grundsätzliche Problem von Tarifverträgen in der Leiharbeit ist
aber ein anderes: Sie sind das einzig probate Mittel, um das Prinzip
"Gleicher Lohn für gleiche Arbeit" zu unterlaufen. Egal ob CGZP- oder
DGB-Tarifverträge: Ihre wesentliche und unrühmliche Funktion ist es,
dass sie ein Lohnniveau weit unter der branchenüblichen Bezahlung
ermöglichen. Schon dass es gesonderte Tarifverträge für die Leiharbeit
überhaupt gibt, ist also ein Armutszeugnis für die ganze
Gewerkschaftsbewegung!
Dass dies den Arbeitskrafthändlern, die auf die CGZP gesetzt haben, nun
wahrscheinlich milliardenschwer auf die Füße fällt, ist gut so (2). Der
DGB ist nun die einzige Tarifgemeinschaft, die solche Tarifverträge
abschließen kann. Oder es auch enfach lassen könnte - nun ja, die
DGB-Tarifverträge laufen sind bis sage und schreibe Oktober 2013 (3),
so dass die Chancen auf "Equal Pay" wohl erstmal schlecht stehen.
Aber mal abgesehen von der Leiharbeit, die tarifpolitisch eine
Sonderrolle spielt: Tarifpluralität im Allgemeinen bedeutet auch, dass
sich die DGB-Gewerkschaften (und andere) werden ins Zeug legen müssen.
Es wird sicherlich noch weitere Versuche von Arbeitgebern aller Art
geben, sich der Dienste eine willigen Retortengewerkschaft zu bedienen,
um die Position der echten Gewerkschaften zu schwächen. Hierauf müssen
ver.di und Co. reagieren, und zwar anders als mit Gesetzesinitiativen!
Gerade in schwach organisierten Betrieben kann auch eine staatlich
verordnete Tarifeinheit dem DGB auf die Füße fallen - spätestens wenn
es Chefs und Pseudogewerkschaften in einzelnen Betrieben gelingen
sollte, die verstreuten DGB-Mitglieder zu majorisieren.
Die Rechtsprechung zur Tariffähigkeit könnte man nun als Bollwerk gegen
solche Tendenzen ansehen. Denn sie schließt kleine Gewerkschaften
tendenziell von der Möglichkeit aus, Tarifverträge abzuschließen. Aber:
Bei der Gewerkschaftsmacht kommt es nicht nur auf die Größe an! Auch
eine kleine, kämpferische Gruppe kann in einem Betrieb etwas reißen,
wenn, ja wenn die Gerichte nicht schon von vorne herein - wie im Fall
des Kino Babylon (4) - mit einstweiligen Verfügungen dem einen Riegel
vorschieben könnten, in dem sie sich einfach auf die nach herrschender
Rechtslage zu geringe Größe der Gewerkschaft berufen. Diese
Rechtsprechung nimmt in den bekannten Urteilen in der Regel ganze
Berufszweige oder Branchen und geographisch bestimmte
Organisationsbereiche zum Maßstab. Das wird Basisgewerkschaften, die
aus aktiven, kämpferischen Betriebsgruppen in den einzelnen Betrieben
fußen, nicht gerecht. Gerade solche könnten aber das wirksame
"Gegengift" gegen die häufig anzutreffende Trägheit der DGB-Strukturen
und den Einfall von Pseudogewerkschaften sein.
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