CNT-E/IAA und SolFed/IAA: Streiks bei Visteon
Hintergrundinformationen zu dem Verhältnis zwischen Visteon und Ford
Der Autohersteller Ford lernte vom großen Erfolg des Unternehmens
Walmart und begann im Jahr 1997, Aufgaben, Strukturen und Arbeitsplätze
an Drittunternehmen abzugeben (engl.: outsourcing). Sie gründeten die
Unternehmensgruppe Visteon, die selbst wiederum 40 weitere
Subunternehmen erschuf, wovon eines VisteonUK gewesen ist.
Das Outsourcing von Arbeitsplätzen bringt einem Unternehmen wie Ford
große Vorteile. Es erlaubt den Bossen die Arbeitsplätze und Gehälter
einer Belegschaft zu kürzen, ohne dabei Verluste beim Gewinn hinnehmen
zu müssen. Es erlaubt ihnen sogar ganze Unternehmen gegen die Wand zu
fahren und dabei noch Geld zu verdienen. Hinter dem Outsourcing steckt
eine einfache Logik.
Um Kosten zu sparen desintegrieren Firmen bestimmte
Unternehmensaufgaben und -strukturen, die dann Drittunternehmen feil
geboten werden. Diese konkurrieren dann auf Kosten der ArbeiterInnen
untereinander, wobei für die ArbeiterInnen Löhne herausspringen, die
niedriger sind, wie die des Stammunternehmens. Gleichzeitig wird durch
das Outsourcing der Kapitalwert und das wahre Wesen eines Unternehmens
verschleiert. Durch die vielen Neugründungen kann mehr Geld aufgeteilt
und transferiert werden, wodurch es ungemein schwierig wird, den Wert
eines Unternehmens zu schätzen. Und es fällt noch leichter, Gelder mit
dem geringst möglichen Steuerkosten um die Welt zu verfrachten. Die
Profite werden dann in den Ländern mit den niedrigsten Steuern
eingestrichen und die Schulden woanders erklärt. Die meisten
multinationalen Unternehmen handhaben das so. Die Gründung von Visteon
durch Ford im Jahr 1997 brachte dem Unternehmen zwei Vorteile. Zuerst
transferierten sie ihre Schulden zu anderen Unternehmen, die dann, um
Verträge zu bekommen untereinander konkurrieren mussten – dadurch hat
Visteon Kosten gesenkt.
Im Jahr 2005 startete Ford dann das „Way Forward“ Projekt, durch das
Outsourcing auf die Überholspur kam. Der Plan sah alleinig für die USA,
Einsparungen im Personalbereich in einer Höhe von 250 Mio.$ vor – das
bedeutete Massenentlassungen. 220 Mio. $ sollten durch Verzicht auf
Betriebsvermögen eingespart werden – das bedeutete die Schließung von
Fabriken.
Indem Ford seit Beginn dieses Planes über 70.000 ArbeiterInnen entweder
entließ oder auslagerte, hat das Unternehmen die globale Belegschaft
halbiert. Doch obwohl Ford große Teile der Produktion zu Visteon
ausgelagert hat, blieb alles unter ihrer Kontrolle. Trotzdem sollte
Visteon als mehr angesehen werden als eine bloße „Blende“ für Ford. So
gründete Ford das Subunternehmen Automotive Components Holding (ACH),
welche direkt von ihnen gemanagt wurde. Das Ziel dieses Vorgangs war es
die verlustreichen Segmente von Visteon auszulagern. Und so holte Ford
im Jahr 2005, 17 Fabriken und sechs Büros aus dem so genannten
"unabhängigen" Unternehmen Visteon zurück zu ACH unter ihrer Kontrolle.
Dadurch wurden 18.000 ZeitarbeiterInnen und 5000 Festangestellte von
Visteon zu ACH verschoben. Und bis zum Jahr 2009 hatte Ford dann ACH
teilweise verkauft und teilweise geschlossen. Diese Machtstrategen, die
Menschen wie Schachfiguren auf dem Brett bewegen, haben ArbeiterInnen
entlassen oder zu einem hunderte Kilometer langen Umzug gezwungen,
falls sie ihren Job behalten wollen. Outsourcing von Arbeitsplätzen
wird oftmals dazu genutzt den ArbeiterInnen ihre grundlegenden Rechte
zu verwehren. Zuerst wird die Produktion verlagert und dann das
Unternehmen für bankrott erklärt, um damit anfallenden Abfindungen und
Rentenzahlungen zu entgehen.
Visteon in Großbritannien
Um Gewinne zu verschleiern und Steuern zu sparen hat Visteon
verschiedene Subunternehmen in Großbritannien gegründet. Steven Gawne,
der das Geschäft von Visteon in Großbritannien managte, wurde für
Bankrott erklärt. Heute leitet er das Geschäft von Automitive Products.
Dieses Unternehmen wurde im Namen einer Visteon Niederlassungen in der
Stadt Basildon registriert. Der Chefmanager dieses Subunternehmens ist
Eric Sachs, der gleichzeitig Schatzmeister und leitender Manager für
Steuerplanung bei Visteon International Holdings Inc. ist.
Steuerplanung meint natürlich die Vermeidung von Steuern. Ein solches
Vorgehen wird vor allem von Unternehmen an den Tag gelegt, die zu viel
Gewinne haben und diese nicht versteuern wollen. Der einzige
Anteilseigner des auf 100.000£ geschätzten Automotive Products Kapitals
ist Visteon International Holding. Doch das ist nur eine von Gawnes
vielseitigen Interessen. Er ist gleichzeitig Direktor von Visteon
Charleville in Frankreich, Visteon Engineering und Visteon Engineering
Services Pension Trustees Limited. Außerdem steht er dem Visteon
Unternehmen R-Tek Limited und dem Visteon Pensions Trustees Limited
vor. Er ist Direktor von Linamar Automotive Systems, was kein Visteon
Unternehmen ist, sondern im Jahr 2007 eine Visteon Fabrik in Swansea
aufgekauft hat. Doch es ist nicht nur die Anhäufung von
Direktorenämtern, die interessiert, sondern vor allem die Art und Weise
wie diese Unternehmen operieren.
Gawne ist beispielsweise ebenso Direktor von Reydel Ltd.. Dieses
Visteon Subunternehmen legte im Jahr 2007 ihre Konten offen: der Umsatz
war 0£ , der Profit dagegen 396.000£ englische Pfund. Gawne ist noch
Direktor von Infinitive Speech Systems UK Limited, einem anderen
Visteon Unternehmen, das im Jahr 2007 einen Umsatz von 204.000£ und
einen Gewinn von 1.313.000£ veröffentlichte. Und er ist noch Direktor
von Oritech Limited, die bislang weder Umsätze noch Gewinne zu
verzeichnen hatten. Es ist ein Zeichen großen geschäftlichen
Scharfsinns, Unternehmen so zu führen, dass die Gewinne höher als der
Umsatz sind!
Ford benutzte Visteon auch um ArbeiterInnen um ihre Renten zu betrügen.
Noch vor der Ankündigung, dass VisteonUk geschlossen wird, wurde der
Rentenfond transferiert, um dadurch seine Auszahlungen an entlassene
ArbeiterInnen zu verhindern. Der Rentenfond wurde von Ford zu Visteon,
von Visteon zu Ford und dann zu dem neu gegründeten Unternehmen Visteon
Engineering Services transferiert.
Streik bei Visteon in Großbritannien
Im Jahr 2000 lagerte Ford eine Reihe Fabriken nach Großbritannien zu
dem neu gegründeten Unternehmen VisteonUK aus. Während des Transfers
der Belegschaft wurde den ArbeiterInnen, von denen einige mehr als 30
Jahre für Ford gearbeitet hatten, zugesagt, dass sie bei Visteon unter
den gleichen Verhältnissen und Bedingungen arbeiten würden, wie bei
Ford. Ein vom europäischen Betriebsrat (EWC) bewirkter Beschluss im
Jahr 2000 besagt: "Entsprechend dem alle Visteon MitarbeiterInnen
betreffenden EWC Abkommens [...] wird die korrekte Einhaltung der
Verträge und Verhältnisse überwacht, da die Belegschaft von Ford zu
Visteon transferiert wird und auch zukünftig von den Absprachen
profitieren soll. [...] Die Beobachtung der Arbeitsverhältnisse
schließt den Lohn, die Renten und andere Zahlungen ein“. Visteon lehnte
das Abkommen mit der EWC nicht ab, denn es enthielt keinen
Kündigungsschutz.
Nachdem das Mutterunternehmen im März 2009 in den USA verkündete, dass
sie die britischen Niederlassungen nicht länger unterstützen kann,
schloß VisteonUK die drei übrig gebliebenen Fabriken in Enfield,
Basildon und Belfast und entließ dabei 600 ArbeiterInnen. Ihnen wurde 6
Minuten Zeit gelassen, den Umstand zu verarbeiten, dass sie gekündigt
worden waren. Man lud sie zu einer Versammlung ein und verkündete ihnen
dann, dass die Fabriken geschlossen werden, weil VisteonUK Pleite
gegangen ist. Zuerst wurden sie über ihre Entlassung informiert und
dann dazu aufgefordert ihre sieben Sachen zu packen und das Gebäude zu
verlassen. Später informierte man die ArbeiterInnen, dass sie aufgrund
des Bankrotts von VisteonUK weder Abfindungen noch Renten bekommen
würden. Wie bereits gesagt worden ist, hatte Ford den Rentenfonds
transferiert bevor das Unternehmen in die Pleite ging.
Geheime Dokumente mit Namen wie „Projekt Stone“, „Projekt Protea“ oder
„Projekt Kennedy“, haben aufgedeckt, dass VisteonUK die Schließung der
drei Fabriken in Großbritannien über Jahre hinweg plante. Die Dokumente
gestanden einen Bruch mit dem EWC Abkommen ein, doch sie vertraten die
Auffassung, dass der Widerstand der ArbeiterInnen nur sehr gering
ausfallen würde und sie durch den jahrelangen Niedergang dieser
Fabriken sowieso demoralisiert sein werden.
Dann wurden die Geheimpläne zur Schließung von VisteonUK in die Tat
umgesetzt. Innerhalb von Jahren wurde die Belegschaft in den
Unternehmen reduziert. In Belfast arbeiten im Jahr 2000 noch rund 1000
Menschen für VisteonUK, im Jahr 2009 waren es nur noch 210. Doch
unglücklicherweise ging der Plan von Visteon nicht auf.
Nachdem die ArbeiterInnen aller drei Fabriken aufgefordert worden waren
das Gebäude zu verlassen, weigerten sie sich und besetzten
augenblicklich die Fabrik. In Basildon beendeten die ArbeiterInnen ihre
Besetzung und organisierten stattdessen Protestposten mit großem
Zulauf. Die ArbeiterInnen in Enfield und Belfast hielten die Besetzung
durch; in Belfast war die Fabrik über sechs Wochen besetzt.
Zuerst verkündete Ford, dass VisteonUK völlig unabhängig ist und dass
der Streik in keinem Zusammenhang zu ihrem eigenen Unternehmen steht.
Doch die ArbeiterInnen bei Ford unterstützten ihrer KollegInnen bei
Visteon um so intensiver, je länger die Besetzung dauerte. Zuerst
blockierten Ford ArbeiterInnen eine Fabrik, die Teile für VisteonUK
produzierte, in Südafrika. Sie drohten mit "inoffiziellen" Aktionen,
welche die Produktion zum Stillstand gebracht hätte. Vor lauter Panik
willigte Ford dann in Gespräche mit reformistischen Gewerkschaften ein
und machte innerhalb nur weniger Tage Millionen englische Pfund für die
Abfindung der entlassenen ArbeiterInnen locker. Aber die Fabriken
wurden geschlossen und über Rentenzahlungen verlor keiner ein Wort.
Die meisten ArbeiterInnen waren mit den abgeschlossenen Abkommen
glücklich, doch eine nennenswerte Minderheit vertrat die Auffassung,
dass sie von den reformistischen Gewerkschaften verhökert worden waren.
Die Angst vor rechtlichen Schritten veranlasste die Gewerkschaften
dazu, Druck auf die BesetzerInnen und auf die unterstützenden
ArbeiterInnen auszuüben. Wenn die Gewerkschaften die Streiks nicht
untergraben, sondern gefördert hätten, so dachten viele, dann wäre der
Sieg in greifbarer Nähe gewesen und eine Schließung der Fabriken hätte
verhindert werden können.
Noch immer kämpfen Visteon ArbeiterInnen um ihre Rente. Da die Kampagne
jetzt allerdings einen rechtlichen Weg eingeschlagen hat, wird das
Verfahren Jahre beanspruchen. Im Moment überprüfen Behörden der
Regierung, wie der VisteonUK Rentenfonds transferiert worden ist und
die Gewerkschaft UNITE hat das Unternehmen Ford angezeigt
Ford veröffentlichte zuletzt die folgende Erklärung: „Die Situation der
VisteonUK Angestellten ist unglücklich, doch die Verantwortung für die
Abwicklung und Finanzierung ihrer Verträge und der Renten liegt
alleinig bei Visteon“. Ford ignoriert seine Verpflichtungen gegenüber
den ehemaligen Angestellten und sieht keine Basis für irgendeine
Verantwortung.
Quelle (Englisch): Internationales Sekretariat der Solidarity Federation
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