[Video] Arbeitskampf im Kino Babylon Berlin-Mitte
Protest auf der Berlinale
Genau das ist während der 59. Berlinale passiert. Die Hosen voll von
den Forderungen der Belegschaft, engagierte Grossman drei neue
Filmvorführer und wechselte das Personal aus, um den reibungslosen
Ablauf des „Generation 14plus“ Programms zu sichern. Gefordert wurde
eine Erhöhung des Stundenlohns auf 16 EUR/Std. für Vorführer, sowie 12
EUR/Std. für Service und Kasse für die Zeit der Berlinale, da das
Glemma-Festival auch eine höhere Arbeitsbelastung mit sich bringt. Mit
der Neueinstellung von Aushilfskräften wurden die Forderungen der
Belegschaft allerdings kalt abserviert.
Deshalb kamen am 13. Februar 2009 zwischen 40 und 50 Menschen zu einer
Kundgebung vor dem roten Teppich zusammen, um für bessere
Arbeitsbedingungen zu demonstrieren. In Redebeiträgen und Flugblättern
wurden Berlinale-BesucherInnen über die Situation und die Forderungen
der Angestellten informiert.
Brancheninfo
Denn dass es so etwas wie „branchenübliche Mindestlöhne“ gar nicht
gibt, machen die Kinos der CinemaxX AG und der Yorck-Gruppe vor. Seit
dem 7. Februar 2008 gibt es für CinemaxX-Beschäftigte einen
Tarifvertrag, der stufenweise Lohnerhöhungen von 6,50 EUR auf 8 EUR
vorsieht. Damit werden die von Unternehmensseite seit 2004 eingeführten
Niedriglöhne an die bisherigen Einkommenshöhen herangeführt.
(http://www.labournet.de/medien-it/) Auch in den 12 Kinos der Berliner
Yorck-Gruppe gibt es unbefristete Arbeitsverträge, einen Staffellohn,
30 Tage Urlaub und nach zwei Jahren 8,25 EUR an der Kasse.
Warum? Unternehmen mit Betriebsräten zahlen eben deutlich höhere Löhne
und halten die Mindeststandards ein. Zudem ist die sogenannte
Lohnspreizung, der Unterschied zwischen den Vergütungsgruppen,
geringer. Dass der Arbeitskampf im Berliner Babylon ein Problem vieler
prekär Beschäftigter im Kulturbereich öffentlich macht, lässt sich auch
durch Tarifmärchen nicht schöner reden. In Museen, Theatern und vielen
anderen öffentlich geförderten Unternehmen wird mit den Beschäftigten
miserabel umgegangen.
Falsches Programm
Das Babylon ist für seinen erfolgreichen Mix aus öffentlich geförderten
und kommerziellen Kulturangeboten bekannt und sorgt für ein spannendes
und visionäres Programm, das seinesgleichen sucht. “Ein authentischer
Hauch voller Kraft und Anarchie wird uns entgegenwehen”, ließen die
Macher im Mai 2008 verlauten. Vor dem Kino wurde ein umgekipptes Auto
platziert und Pflastersteine arrangiert. Das macht schon irgendwie Lust
auf mehr - vor allem nach dem Kinobesuch! Aber was ist das Babylon
anderes, als ein „H&M“ für den pseudo-revolutionären Lifestyle,
wenn es sein und unser kulturelles Kapital aus Urlaubstagen,
Krankheitsgeldern, mündlichen Arbeitsverträgen und Niedriglöhnen
freipresst?
Bittere Ironie: Am Sonntag, den 22.02.2009 um 13.30 Uhr hatte
ausgerechnet ein Dokumentarfilm im Kino Babylon Premiere, in dem eine
Hausarbeiterin ohne Papiere vors Arbeitsgericht zieht: “Mit einem
Lächeln auf den Lippen.” (ein Film von Anne Frisius in Zusammenarbeit
mit Nadja Damm und Mónica Orjeda, http://www.kiezfilme.de/laecheln)
Die Veranstaltung im Kino selbst wurde vom Bildungswerk Berlin der
Heinrich-Böll-Stiftung unterstützt und aus Mitteln der Stiftung
Deutsche Klassenlotterie Berlin realisiert.
Widersprüche dieser Art haben ein Um-die-Ecke-Denken zur Voraussetzung,
das an wirklicher gesellschaftlicher Veränderung nicht ernsthaft
interessiert ist - ein Hauch „voller Kraft und Anarchie“, der eher an
die letzten Atemzüge der liberalistischen Krisenwirtschaft erinnert.
Die Kino-GmbH ist nunmal keine „Non-Profit-Organisation“, auch wenn es
in Stellungnahmen der Geschäftsleitung gerne so dargestellt wird.
Betriebsrat
Sind die 320.700 EUR der Senatskanzlei für Kultur nun zu wenig für das
Babylon? Oder arbeitet die „Neue Babylon Berlin GmbH“ einfach
unwirtschaftlich? Sind die Forderungen der Belegschaft eine gemeine
Sauerei? Die Frage ist vielmehr, wer die Definitionsmacht über die
Leistungen der Beschäftigten innehält und genau darum will der im
November 2008 gegründete Betriebsrat kämpfen.
“Wir werden uns von der Geschäftsleitung des Babylon Mitte keinesfalls
einschüchtern lassen. Die breite Sympathie, die uns entgegenschlägt,
bestätigt uns nur in dem, was wir tun. Darüberhinaus war die Kundgebung
am Freitag erst der Anfang - die eigentliche Auseinandersetzung um die
Arbeitsbedingungen im Babylon beginnt für uns erst jetzt.” so Lars
Röhm, Sprecher der FAU Berlin.
Das geht auf keine Rechnung!
Wir werden nach und nach ein paar betriebswirtschaftliche Zahlen und
Fördermittel der Firma „Neue Babylon Berlin GmbH“, soweit sie uns
bekannt werden und durch Quellen belegen lassen, veröffentlichen. Wenn
uns die Geschäftsleitung dabei unterstützen möchte, borgen wir gerne
einen Taschenrechner zur Neubestimmung von Urlaubstagen und
„branchenüblichen Mindestlöhnen“ aus:
Das Babylon wird mit 320.700 EUR jährlich aus Mitteln der Senatskanzlei für Kultur gefördert, das sind 26.725 EUR pro Monat.
- „Der staatliche Zuschuss des Babylon beträgt etwa 28% der
Ausgaben.“ (Quelle: Stellungnahme der Geschäftsleitung) Dann
entsprechen 100% 1.145.357,14 EUR an Gesamtausgaben. Auf 12 Monate
verteilt sind das 95.446,42 EUR pro Monat.
- Es gibt ungefähr 27 Angestellte im Babylon, incl. Theaterleiter, Servicemitarbeitern, Filmvorführern und Haustechnikern.
- Ca. 10 Mitarbeiter auf 400 EUR-Basis = 4000 EUR pro Monat
- 2006 machte das Kino einen Gewinn von 22.500 EUR. Bei einem Eigenkapitalanteil von 25.000 EUR immerhin eine Rendite von 90%.
- Real bekommt das Babylon noch wesentlich mehr Geld vom Senat.
Laut letztem veröffentlichtem Jahresabschluß 2006 439.900 Euro für
dieses Jahr (s. Haushaltsplan Berlin). Interessant auch, dass die
Ausgaben fürs Personal von 2004 zu 2006 um etwa 25 % gesunken sind.
Grossman und Hackel betreiben das Kino seit 2005.
- Weitere Ergänzungen erwünscht…
Quelle (mit allen Links): Freundeskreis-Videoclips
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