FAU Dortmund setzt Auszahlung ausstehender Löhne polnischer Bauarbeiter durch
Die Firma
Der Betrieb macht überwiegend Abbrucharbeiten im Rahmen von Umbauten,
hat Maschinen dafür. Baustellen sind neben Supermärkten vor allem
öffentliche Einrichtungen. Kommunale Aufträge bekommt die Firma teils
direkt, teils als Subunternehmer. Der Chef ist sog. Russlanddeutscher,
bis vor einiger Zeit waren dort 15 Russlanddeutsche angestellt. acht
davon sind gegangen, weil sie sich nicht mehr vom Chef ausbeuten lassen
wollten. Mittlerweile arbeiten fünf polnische Kollegen dort (im
folgenden kurz Polen genannt). Diese sprechen mit Anderen in der Firma
russisch. Die Frau vom Chef hat auch eine Firma, so dass den Kollegen
nicht klar ist, für welche Firma sie gerade arbeiten.
Zahlungsverschleppungen seien im Betrieb üblich, auch haben die
Kollegen mal mitgehört, dass die Firma noch 25.000 € unbezahlte
Sozialversicherungsbeiträge offen habe.
Die Arbeiter
Die drei polnischen Kollegen, die sich an die FAU gewandt haben, sind
Mitte März nach Deutschland zu der Firma gekommen. Vater und Bruder von
einem von ihnen arbeiten schon länger dort, d.h. insgesamt sind sie
fünf polnische Arbeiter in dem Betrieb. Sie arbeiten auf teilweise
täglich wechselnden Baustellen und machen teils Hilfsarbeiten, teils
eigenständige Arbeit mit den Spezialmaschinen. In der Firma gibt es
einige Wohnungen, in denen die Kollegen je zu zweit wohnen.
Das Arbeitsverhältnis
Ehe sie nach Deutschland zu der Firma kamen, dachten sie, sie würden in
einem normalen Arbeitsverhältnis angestellt arbeiten. Aber als sie da
waren, hat der Chef sie jeweils Gewerbescheine besorgen lassen und eine
GbR der fünf polnischen Kollegen im Betrieb gründen lassen [1].
Außerdem hat er einen Vertreter einer privaten Krankenkasse organsiert,
bei dem sie Versicherungsverträge unterschrieben haben. Über geleistete
Arbeiten erstellen sie Stundenzettel, aufgrund derer dann vom Chef
Rechnungen der GbR kalkuliert werden, die nicht über Zeit, sondern über
erbrachte Leistungen (zB soundsoviel Quadratmeter entfernter Boden)
lauten. Die Bezahlung erfolgt bar gegen Quittung. 250 € bekommen sie
nicht ausgezahlt, die seien für die Krankenversicherung. Als Vergütung
sind 10 € brutto und 6,20 netto pro Stunde vereinbart. Für die
Wohnungen bezahlen sie nichts extra. Der Chef kümmert sich (angeblich)
um den gesamten Papierkram, was sie mangels Deutschkenntnissen nicht
selbst machen könnten. Der Chef hat auch alle Unterlagen (GbR Gründung
und Rechnungen, Versicherungsverträge), die Kollegen haben nur ihren
Gewerbeschein wg. evtl. Kontrollen auf den Baustellen.
Der Anlass für den Konflikt
Der Chef hat den Lohn für Mai nicht bezahlt. Statt dessen hat er die
polnischen Kollegen mehrfach vertröstet oder mal 100 € Vorschuss
rausgetan.
Der Vorlauf
Einer der polnischen Kollegen ist in Polen in der IP
(Arbeiterinitiative), und hatte über seine Bekannten von der ZSP (Der
polnischen IAA-Schwestersektion der FAU) Kontakt zur FAU Dortmund
herstellen lassen. Bei einem längeren Gespräch am ging es dann
einerseits um ein Verständnis der Situation der Kollegen, andererseits
um die Auslotung von Möglichkeiten, dem Chef ernsthaft zu drohen, damit
er mit der zurückbehaltenen Kohle rüberkommt. Als „Problemzonen“ für
indirekten Druck gegen den Chef deuteten sich an:
• de facto Scheinselbständigkeit der polnischen Kollegen
• Nichteinhaltung von Mindestlohn auf dem Bau [2]
• Druck über Öffentlichkeit und seine öffentlichen Auftraggeber
Als direkter Druck kam aufgrund der aktuellen Aufträge und Termine auch
eine Arbeitsniederlegung der polnischen Kollegen in Frage. Da einer
gerade langes Wochenende in Polen machte und einer krank war, wollte er
das am 22. Juni, wenn alle wieder beisammen und streikfähig waren, mit
den anderen besprechen.
Die Aktion
Am 23. Juni fuhren drei der fünf polnischen Kollegen nicht mehr auf die
Baustelle, sie traten faktisch in den Streik. Sie baten die FAU
Dortmund, ein gewerkschaftliches Drohschreiben an den Chef aufzusetzen,
da es keinen Sinn mache, mit dem Chef zu reden. In unserem Schreiben
verlangten wir vom Chef die Bezahlung der Arbeit und der
Krankenvesicherungsbeiträge (die hatte der Chef nämlich auch noch nicht
bezahlt, wie sich bei dem Treffen herausstellte) bis zum 30. Juni.
Andernfalls würden wir rechtliche Schritte gegen das Unternehmen
einleiten und die Öffentlichkeit informieren. Parallel dazu war ein
Anwalt im Auftrag der Kollegen tätig geworden. Derart bewaffnet
übergaben die Kollegen die beiden Schreiben (vom Rechtsanwalt und der
FAU Dortmund) dem Chef. Dieser kündigte an, dass er das mit seinem
Anwalt besprechen werde.
Die Löhne werden ausgezahlt
Am 6. Juli informierten uns die Kollegen, dass der Chef durch die
beiden Schreiben einen derart großen Schreck bekommen habe, dass er
alles bezahlt hat. Sie seien jetzt mit ihm „fertig“. Sie dankten uns
für Hilfe und für dieses gelungene Beispiel internationaler
Klassensolidarität.
FAU Dortmund
[1] Die BRD hat die sog. Arbeitnehmerfreizügigkeit für
EU-Bürger, die bei der EU-Osterweiterung 2004 dazugekommen sind, für
die maximal vorgesehene Spanne von 7 Jahren ausgesetzt:
http://de.wikipedia.org/ wiki/Arbeitnehmerfreizügigkeit. Deshalb der
Legalisierungsversuch des Chefs per Niederlassungsfreiheit (d.h. in
Deutschland angemeldetes Gewerbe). Laut Aussage des IP-Kollegen hat er
auf den Baustellen auch bei Leuten anderer Herkunftsländer oft dieses
„Modell“"” festgestellt.
[2] Mehrsprachige Broschüre der IG BAU „Ihr gutes Recht
bei der Arbeit am Bau in Deutschland. Mindestlohn mindestens - besser
Tariflohn“"” vom September 2009.
http://www.igbau.de/db/v2/inhalt.pl?e1=15&e2=97&did=
10115&mode=detail&edit=0 und dann in der rechten Spalte bei
„Aktuelles Material / PDF-Dokument“ auf „[download]“ klicken.
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