Wir bitte alle LeserInnen, Protestbriefe zu versenden und sich an den anstehenden Aktionen zu beteiligen. Weitere Informationen folgen in den nächsten Tagen.
Zum Hintergrund:
Am 3. und 4. September 2009 verhaftete die serbische Polizei fünf
GenossInnen der "Anarhosindikalisticka inicijativa“ (ASI-IAA). Direkt
im Anschluss an die Verhöre, die unter abenteuerlichen Bedingungen und
Erpressungen zustande kamen, verfügte das Belgrader Bezirksgericht eine
zunächst dreißigtägige Untersuchungshaft unter der Anschuldigung, die
Verhafteten hätten "einen Akt von internationalem Terrorismus"
begangen. Es scheint sich dabei um einen versuchten Angriff mit einer
Brandflasche auf die griechische Botschaft in Belgrad zu handeln. Die
serbische Politik versucht nun offensichtlich auf Drängen der EU
irgendeinen Fahndungserfolg zu präsentieren und "bedient" sich dabei
bei der in Serbien durch ihre sozialen Kämpfe bekannten und öffentlich
auftretenden ASI. Die uns bislang bekannten Umstände lassen einen
umfassenden Kriminalisierungsversuch befürchten. Zu den derzeit
bekannten Hintergründen nachfolgend ein Bericht der
anarcho-syndikalistischen "Hängematte" aus Österreich, den wir um
eigenen Recherchen ergänzt haben.
Am Donnerstag Morgen versuchte die Polizei in Belgrad zwei
Hausdurchsuchungen durchzuführen. Bei unserem Genossen Tadej Kurepa
wollten sie ohne gültigen Durchsuchungsbefehl in die Wohnung
eindringen. Tadej verweigerte dies und wurde von der Polizei "gebeten"
auf die Wache mitzukommen um dies dort zu Protokoll zu geben. Statt des
angekündigten Protokolls wurde er auf der Polizeistation festgenommen.
In der Wohnung unseres Genossen Ratibor Trivunac konnte eine
Hausdurchsuchung ebenfalls nicht durchgeführt werden, da Ratibor nicht
zuhause war. Er wurde von der Polizei angerufen auf die Polizeistation
zu kommen um ein Protokoll zu machen. Dort wurde er dann ebenfalls
festgenommen. Noch bedenklicher wurde die Vorgangsweise bei Ivan
Vulovic. Ivan war nicht zuhause – dafür sein Vater. Darauf hin nahm die
Polizei kurzerhand Ivans Vater fest und informierte Ivan telefonisch,
daß sein Vater erst freigelassen wird, sobald Ivan sich in festnehmen
lässt, ...
Mittlerweile ist auch bestätigt daß eine vierte Genossin - Sanje -
festgenommen ist. ebenfalls gibt es eine fünfte festgenommene Person
aus Belgrad, die jedoch niemand in der ASI kennt. Ivan ist Epileptiker
und hatte Donnerstag Abends auf der Polizeistation noch einen heftigen
Anfall.
Die Vorgeschichte dürfte mit einem Molotovkocktail auf die Griechischen
Botschaft in Belgrad begonnen haben. Dieser soll am 25.8. von einer
anonymen Gruppe "Crni Ilija" in Solidarität mit dem im Hungerstreik
befindlichen und zwischenzeitlich aus der entlassen griechischen
Anarchisten Thodoros Iliopoulos, geworfen worden sein. Thodoros saß
seit der Revolte die im Anschluß an den Mord am 15-jährigen Alexis,
wochenlang in Griechenland stattfand, in Haft.
Alle Vorwürfe und die Verhaftungen dürften mit diesem einen
Molotovkocktail begründet werden. Denn bereits am nächsten Tag hatten
die serbischen Medien die Schuldigen ausgemacht. Die einzige offen
bekennend libertäre Organisation in Serbien – die
Anarchosydikalistische Gewerkschaft ASI – wurde mit dem Molotovkocktail
in Verbindung gesetzt. Bereits am 27. informierte die ASI weltweit
GenossInnen, daß die serbischen Medien eine richtiggehende Kampagne
gegen die ASI und namentlich gegen Ratibor fahren.
Alle fünf Menschen befinden sich in Polizeigewahrsam und werden morgen
Samstag, nach Ablauf der 48-Stundenfrist, einer UntersuchungsrichterIn
vorgeführt, die über eine mögliche Untersuchungshaft entscheidet. Die
Polizei verhaftete Alle wegen "Verursachung öffentlicher Gefahr" und
scheint tatsächlich eine gleichlautende Anklage zu konstruieren.
Zusätzlich brisant ist, daß die ASI derzeit mit dem Sekretariat der
IAA- der anarchosyndikalistischen "Internationalen ArbeiterInnen
Assoziation" betraut ist und Ratibor Trivunac derzeit Generalsekräter
der IAA ist.
Es bleibt abzuwarten, ob das serbische Gericht morgen die unglaublichen
Methoden der Polizei decken wird und Untersuchungshaft über unsere vier
GenossInnen und den Unbekannten ausspricht. Die ASI bemüht sich
jedenfalls um Anwaltliche Unterstützung der Festgenommenen und auch das
IAA-Sekretriat wird von den weiteren GenossInnen betreut und ist
erreichbar.
Spendet für die serbischen Anarchosyndikalist/innen
SWIFT: RZBSRSBG
Bank: RAIFFEISEN BANKA AD,
Bank-Adresse: Bulevar Zorana Djindjica 64, Beograd, Serbien (Republika Srbija), Tel. +381 11 3202 100, Fax +381 11 2207 080, http://www.raiffeisenbank.rs/
Konto-Nr. / IBAN: RS35265050000016043150,
Kontoinhaber: MILAN (MILUTIN) STOJANOVIĆ,
Inhaber-Adresse: Senje
Mehr Infos auf http://asi.zsp.net.pl/
UnterstützerInnen/Proteste/Aktionen:
(unvollständige übersicht)
Mittlerweile fordert auch die serbische NGO „Center for Civil Society Development (CRCD)“
die Freilassung der Inhaftierten und die Eintstellung des Verfahrens,
denn diese hätten mit internationalem Terrorismus nichts zu tun und die
vorgeworfene Tat ebenfalls nicht.
(http://asi.zsp.net.pl/)
Die Wobblies (IWW) aus Winnipeg / Kanada haben einen Offenen Brief an das Serbische Konsulat geschrieben (http://asi.zsp.net.pl/).
Und in Paris hat die CNT-IAA am 17.10. eine Protestversammlung organisiert:
http://www.cnt-ait.info/article.php3?id_article=1726
- St. Petersburg, RUS (http://asi.zsp.net.pl/action-in-petersburg/),
- Bern, CH (http://asi.zsp.net.pl/protests-in-bern/)
- Madrid, ES (http://asi.zsp.net.pl/protest-in-madrid/)
- Triest, IT (http://asi.zsp.net.pl/solidarity-graffiti-in-trieste/)
Am 20.09. gab es einen Protest vor der serbischen Botschaft in Budapest und es wurde ein Protestbrief veröffentlicht.
Proteste vor serbischen Botschaften und Konsulaten in Frankfurt am Main, Skopje (Mazedonien) und Bratislava (Slowakei)
Solidaritätskundgebungen vor serbischen Botschaften und Kosulaten, unter anderem in Sofia (Bulgarien), Athen und Komotini (Griechenland), Berlin und Den Haag (Niederlande).
"Intellektuelle verteidigen Anarchisten"
Die österreichische Solidaritätsseite mit den gefangenen serbischen
AnarchosyndikalistInnen hat eine deutsche Übersetzung der solidarischen
Stellungnahme serbischer Intellektueller veröffentlicht.
Hier ist jener Brief den die "Intellektuellen" geschrieben haben, auf
deutsch übersetzt. Der Text ist wichtig, weil dieser der einzige
Kritische ist, der in der Öffentlichkeit zu diesem Thema erschienen ist
und weil er von Menschen geschrieben wurde, deren Meinung in der
(serbischen) Gesellschaft wichtig ist. Dieser Text ist in fast allen
Zeitungen unter dem Titel "Intellektuelle verteidigen Anarchisten" erschienen.
"Mit diesem Brief wollen wir unsere Besorgnis wegen der Ankündigung der
staatlichen Verfolgungsorgane zeigen, die eine Anklage wegen
internationalen Terrorismus gegen die sechs Verdächtigen für den
neulichen Angriff an der griechischen Botschaft in Belgrad mit 'Moltov
Cocktails' erheben wollen.
Ohne diese Tat zu rechtfertigen wollen, halten wir es für unsere
Pflicht aufzuzeigen, dass aus politischen Hintergründen hier mit
zweierlei Maß gemessen wird, und dass dies verheerende Auswirkungen auf
die weitere Entwicklung unsere Gesellschaft haben könnte.
Es ist nicht so lange her, dass es während des Protestes am 21. Februar
2008, nach der Proklamation der Unabhängigkeit des Kosovos, die
Botschaft der Vereinigten Staaten Amerikas in Belgrad angezündet worden
ist. Das Gebäude der Botschaft wurde durch einen Brandanschlag schwer
beschädigt, während einer der Angreifer sein Leben verloren hat. Nur
ein Teilnehmer des Angriffs wurde verhaftet und ist für die schwere Tat
der 'Gefährdung der allgemeinen Sicherheit' angeklagt worden.
Hingegen diesem Fall, charakterisieren die staatlichen Organe das
Zerbrechen von einem Fenster an dem leeren Gebäude der griechischen
Botschaft, das mit zwei angezündeten Flaschen, die keinen Brand
verursacht haben, als einen 'Akt des internationalen Terrorismus',
welcher in dem Strafgesetz der Republik Serbien direkt neben der
Durchführung von Genoziden, Kriegsverbrechen und Anführung eines
aggressiven Kriegs steht.
Es gibt die Befürchtung, dass die paradox unterschiedliche
Positionierung der Verfolgungsorgane in diesen zwei Fällen politisch
bedingt ist, und dass dies das Bestreben der aktuellen Regierung ist,
um seine Popularität beim nationalistisch orientierten Teil der Wähler
zu verstärken. Dies fördert auch chauvinistische und
rechtsextremistische Tendenzen in unserer Gesellschaft, wie diese die
ohne größerer rechtliche Folgen Anfang 2008 im oben beschriebenen
Brandanschlag der Botschaften in Belgrad bei den Angreifern
ausschlaggebend war. Gerade aus diesen Gründen wenden wir uns an die
Öffentlichkeit und die zuständigen staatlichen Organe, in der Hoffnung,
dass wir dazu beitragen, dass Gesetze bei jeden Teilnehmer der
Gesellschaft gleichermaßen durchgeführt und an der Seriosität der Tat
bemessen werden."
Zaga Golubovic, Želimir Žilnik, Todor Kuljic, Vladimir Ilic, Boris
Dežulovic, Sonja Drljevic, Ljubomir Živkov, Vladimir Arsenijevic.